Jun 242015
 

Mitte Mai trafen sich die Recken der Sportbootfloote in Ungarn zur ORC Sportboat European Championship 2015. Von Anarchist Raoul hatten wir einen Teaser zu der Regatta veröffentlicht und waren gespannt zu sehen, wer sich in dem bunt gemischten Teilnehmerfeld an die Spitze segeln wird. Leider ist der Wettkampfstress den zeitnahen Updates in die Quere gekommen: Wind, Wetter, Bruch, Basteln, Rechnen und Feiern fordern ihren Tribut und es kostet viel Überwindung, nach einem harten Tag auf dem Wasser oder an der Bar noch Bilder zu sortieren, bearbeiten, eine Text halbwegs sauber runter zu tippen und sich anschließend auf die Suche nach einem schnellen und stabilen W-LAN zu machen. Deshalb ganz herzlichen Dank an Raoul für seine Mühe und Euch viel Spaß beim Lesen von dem Zug der Türken mit der Farr25 von Istanbul bis kurz vor Wien! Und hier der Hinweis auf den SailingAnarchy-Cup für Sportboote, der am 19. & 20. September beim SC Gothia im Berlin unter dem Motto: "Melden, Segeln, Feiern!" stattfinden wird, kurz, wir rechnen fest mit Euch! 

ORC Sportboat European Championship 2015 - Farr 25 - Hartes Hängen an der Kreuz

Von Glücksrittern und Pechmarien! Mit der Farr25 zur ORC Sportboot Euro am Balaton

Da ist es wieder. Das kemmlingsche Pechprinzip. Was ich bisher als Stilnote von Carsten Kemmling betrachtet hatte, droht bei mir jetzt plötzlich fieseste Realität zu werden. Ausgerechnet beim Auftaktrennen zur ORC Sportboot Euro am Balaton muss ich mich mit einer der vertracktesten Theorien des Segelsports auseinandersetzen: "Wer bei wichtigen Regatten neuen Segelkram mitführt, wird vom Pech verfolgt!" Laut der Theorie ist man dabei sogar selber schuld. Man hätte ja beim Training oder Übungswettfahrten das Pech in den Utensilien peu a peu herausfahren können. Konnte ich das wissen? Ich hatte die Sachen doch in der Türkei gekauft, da kann doch nirgends Pech dran kleben! Und wenn doch, versteht das Pech bestimmt nicht, um was es bei einer Europameisterschaft geht. Schließlich ist der Türke doch nur privilegierter Partner der EU und nicht Vollmitglied.

Und trotzdem rauscht da hinten die ganze Bande an. Wir parken bei dem Langstreckenrennen, dass die Euro eröffnet, nach der ersten Runde um den Plattensee kurz hinter der „Mittelmarke“ in einem Flautenloch. Die komplette Runde – immerhin knapp 20 Meilen – haben wir uns gefreut, dass wir weit vorne liegen. Vor uns nur diese komischen Smile22s, die wir seit der Luvmarke nicht mehr gesehen haben. Der kleine SK2 Canting-Kieler aus England ist nach einem Defekt an der Kielmechanik kurz vor der Mittelmarke abgebogen. Die deutlich größeren Code8s mit ihrem eindrucksvollen Setup liegen weit achteraus. Irgendwo dazwischen noch der ebenso beeindruckende 8mPro Canting Kieler von Flaar aus Ungarn. Auf der Kreuz zur Halbzeit finden wir immer wieder Druck und wenden unsere Farr25 vor den durchgehenden Wolkenfronten in die Dreher. Alles läuft bestens.

In den Böen geht der Wind hoch bis auf 25 Knoten. Der letzte Down soll uns über knapp 6 Meilen diagonal über den See hetzen. Seit mehr als einer Viertelstunde motiviert uns Sükrü, der tapfer das Groß auf und zu macht, mit dem Ausblick auf einen legendären Ritt unter Spi. Seiner Vorhersage nach soll es mit knapp 110° bei 25 Knoten Wind und unserem neuen, vergrößerten A1 Geni Richtung Leefass gehen. Während ich hänge, rechne ich schon, wie lange wir dafür wohl brauchen. Bei vorausgesagtem Windwinkel sollten wir locker über die 20 Knoten Marke kommen. Für die 6 Meilen zum Fass würden wir dann nicht mal 20 Minuten brauchen. Während ich noch rechne, versuche ich die Luft, die mir der Hängegurt lässt, zu einem Grinsen zu nutzen, mit letztem Atem dehnen meine beiden Mitstreiter und ich den Gurt mit aller Kraft nach Luv, während Sükrü elegant ums Fass steuert. Endlich zurück lehnen, einatmen, Luft genießen und zeitgleich den Genibaum rausreißen, Tackline dicht holen und ins Cockpit rollen. Während Orhan auf dem Vorschiff die Tüte aus dem Luk schmeißt, reiße ich den Genni hoch. Jetzt noch festen Stand finden, kurz orientieren und sofort ab nach Achtern, hinter Sükrü, unseren Steuermann. Der steht mir aber plötzlich im Weg.ORC Sportboat European Championship 2015 - Farr 25 & Smile 22Nix nach hinten! Kehrt marsch und ab aufs Vorschiff. Urplötzlich ist der ganze Wind weg. Und damit auch das Versprechen, dass wir in 20 Minuten bei der nächsten Bahnmarke sind. Verzweifelt taste ich den Körper ab. Neue Hose, neue Sonnenbrille. Verdammt, ich glaube die Unterhose habe ich auch das erste Mal beim Segeln an. Während ich mich verschämt aufs Vorschiff trolle, versuche ich nicht allzu schuldgeplagt auszusehen. Bloß keinen Verdacht erregen. Nicht auszudenken, was meine abergläubischen Mitstreiter mit mir machen würden, wenn sie Wind von der Kemmlingschen Pechtheorie bekämen. Der Türke glaubt so was sofort! Aber apropos Wind. Der kommt wieder. Leider nur von der anderen Seite. Zwei Code8s, zwei Elliots und der blaue Russe bekommen ihn dann auch noch vor uns und rauschen los, während wir eiligst den gerade gesetzten CodeZero wieder bergen und den A2 anbändseln. Immerhin nimmt der Wind jetzt auch wieder für uns zu und ich darf weiter nach hinten. Nicht der versprochene Reach und Teufelsritt, aber Dank des neuen A2s von North Sails und 10 für den Balaton extra hinzugefügten Quadratmetern machen wir Boden gut. Am Fass kommen wir wieder vor den Code8s und dem Russen an. Zwei extra Halsen sichern uns eine Innenposition gegenüber der führenden Elliot und wir gehen zumindest als 3. Boot der Flotte auf einen langen Reach und die letzte Kreuz. Am Ende werden wir berechnet 5. in diesem spannenden Prolog. Weniger als erhofft, aber immerhin eine noch gute Ausgangsposition.

Am Abend gehe ich noch mal durch meine Segelsachen. Alles Neue was nicht absolut notwendig ist, wird rigoros aus der Segeltasche eliminiert. Es bleiben nur die neue Salopette und ein paar neue Segelhandschuhe über. Bei aller Liebe, mehr ist nicht drin.

Irgendwie muss aber auch Pech am Wetterbericht kleben. Als wir uns vor über einem Jahr entschieden zur ORC Sportboot Euro an den Balaton zu fahren, hatten wir konsequent auf Leichtwind gesetzt. Keinen 5. Mann an Bord. Training den ganzen Winter in Schweinebedingungen unter 10 Knoten. Zusammen mit North Sails haben wir die Downwindsegel vergrößert. Jeden Tag haben wir angstvoll die Meldeliste beobachtet, wer alles kommt und wie wohl mit denen zu Recht kommen.

Und wiederum: Das ganze für den Arsch! Eine Woche vor der Meisterschaft zeichnet sich ab, dass es 4 Tage durch stürmen wird. Laut unserer Wetteraufzeichnungen gab es das davor noch nie! Immerhin, alle anderen werden ebenso leiden wie wir. Speziell die Binnenracer mit ihren hochhausgroßen, rechteckigen Monster Square Head Großsegeln dürften recht schnell überpowert sein.

Als es am zweiten Tag raus geht, pfeift der Wind schon mit 20 Knoten vor dem Start. Dieses mal geht es Up and Down. Die schwedische Cheetah, die am Vortag nach einer Kollision im Start abdrehen musste, führt das Feld nach dem Start an. Wir sind in der Mitte der Startlinie im freien Wind gestartet. Unter uns die beiden holländischen Smiles22s. Die Dinger sehen aus wie ein SB20, dem man ein Trapez angebaut hat. Aber von wegen. Die Dinger sind sauschnell. Auch an der Kreuz halten sie unseren Speed ohne Probleme. Dabei müssen wir denen ordentlich vergüten. ORC sei Dank. Die Oranjes quittieren unser Kompliment „Your boat looks so innocent, but is a true bitch“ mit einem Lachen, als wir uns bei der ersten Wende knapp begegnen. Der Holländer ist aber vorne. Immerhin, die ganzen Code8s, Flaars und sonstigen Extrembauten, die uns vergüten müssen, sind deutlich achteraus. Wir bekommen zwei Dreher besser als die Holländer und runden das Luvfass direkt hinter den Schweden. Der erste Down macht richtig Spass. Der neue A2 hält wiederum das Versprechen von North und wir halten mit der großen Cheetah, die einen 30qm größeren Geni hat, locker mit. Nur diese Smiles, donnern irgendwo in Lee durch. UNFASSBAR. Im Ziel reicht es verrechnet zu einem 4. Platz. Immerhin. Damit sind wir aktuell 3. im Gesamtranking und immer noch im Spiel.ORC Sportboat European Championship 2015 - Farr25 an der KreuzIm zweiten Rennen legt der Wind noch eine Schippe drauf. Viele der Ungarn geben schon vor dem Start auf und fahren rein. Wir müssten eigentlich auf die kleinere Fock umbauen, trauen uns aber irgendwie nicht auf dem Vordeck die große Baustelle zu eröffnen. Wir starten mit Vollgas in Lee am bevorteilten Pinend. Etwas in Luv ist die schweizerische Saphire27, die sich einen ehemaligen russischen Olympioniken eingekauft hat. Darüber die beiden Smiles und die übriggebliebenen Ungarn. Die Kreuz läuft super. Die Farr25 beweist sich einmal mehr als Upwind-Wunder. Wir kommen wieder als zweites Boot am Luvfass an, dieses mal ganz dicht der grimmig schauenden Schweden mit ihrer Cheetah30. Der erste Down läuft Spitze. Dieses mal verlieren wir nur eine der Smiles. Wir erwischen nach dem Set eine private Wolke. Die immer größer werdende Welle, lässt uns dieses mal konstant über 15 Knoten surfen. Leider verhauen wir den Mexican Drop am Gate und der nagelneue A2 quetscht sich zwischen Schot und Inholer Block. Conan, unser deutscher Bordbarbar, merkt es nicht und zieht wie doof unter Deck am Segel. Ende vom Lied ist ein größeres Loch im A2 und das Gefühl, dass ich vielleicht doch auf Hose und Handschuhe verzichten sollte und gar nix Neues mehr tragen sollte. Auf der Kreuz bauen wir auf A1 um. Währenddessen bleibt eine der Smiles22 plötzlich stehen. Wir bekommen erst später heraus, dass die Pinne gebrochen ist. Immerhin bin ich scheinbar nicht der einzige, der vom Pech verfolgt ist. Vielleicht sollte ich den Niederländer aufklären? Besser nicht! Nötig hat er es definitiv nicht. Das Rennen beenden wir gesegelt und berechnet als 2., was uns auch im Gesamtranking auf den 2. Platz schiebt. Noch vier Rennen sind geplant. Ab dem 5. Rennen soll es einen Streicher geben, der den Holländer dann wieder auf unseren 2. Platz heben würde und uns – angenommen, dass wir so weiter segeln – auf den 3. zurück werfen sollte.

Irgendwo in der folgenden Nacht muss sich allerdings das Pech verflüchtigt haben. Vielleicht ausgewaschen vom vielen Regen der letzten Tage. Oder vom Kater gefressen, der sich nach einer feierintensiven Nacht morgens im Hinterkopf breit macht. Macht aber nix. Der See ist totale Glatze. Kaum Wind. Bis wir von der WL rausgeschickt werden, verflüchtigt sich auch der. Draußen geht es dann auf und ab. Lange Warterei. Jede Stunde wird AP verlängert. Jeder Windhauch wird dabei aber von uns genutzt. Sobald unser Tacktick mehr als 4 Knoten Wind anzeigt, drehen wir Kreise um jeden Binnenracer den wir finden können. Die ganze Batterie an hochhaussegeltragenden Konstrukten wird ausgetestet. Manchmal hat man den Eindruck, dass ein kleiner Kläffer sich mit dem größeren Dobermann anlegen will. Aber siehe da, der Kläffer kann auch beißen. So schlecht schlagen wir uns gar nicht. Vor allem wenn der Wind über die 5 Knoten Marke geht, sind wir ähnlich schnell wie die Saphire aus der Schweiz und die schwedische Cheetah. Zu unserer Überraschung sind wir auch windunabhängig deutlich schneller als die Code8s. Auch wenn am Ende keine Wettfahrt zu Stande kommt, gehen wir mit einem guten Gefühl zurück in den Hafen.ORC Sportboat European Championship 2015 - Eng an der StartbootBeim Abendbriefing wird schnell klar, dass es wohl nur noch eine Wettfahrt geben wird. Mehr lässt der Wetterbeicht nicht hoffen. Aufgrund der drehenden Bedingungen will die WL eine zweite Langstrecke fahren. Ein UP and Down mit fairen Bedingungen scheint nicht durchführbar. Trotzdem soll die Meisterschaft mit der notwendigen 4. Wettfhart gesichert werden. Für uns heißt das: Kein Streicher. Wilde Rechnereichen sind die Konsequenz. Wie sieht es mit der führenden Smile aus? Haben wir eine Chance? Wer sitzt uns im Nacken? Am Ende zeichnet sich ab, dass der führende Holländer sieben Boote hinter uns raus kommen muss um Erster zu werden. Gleichzeitig muss der Russe, direkt hinter uns, nur einen Punkt aufholen um uns auf Platz drei zu verdrängen. Dazu hat sich der kleine Pole mit dem höchsten Rennwert (also langsamstes Schiff) mit zwei dritten Plätzen bei den Up and Downs auch auf Platz 4 verbessert. Das Ding hat bisher noch nie Spi gesetzt. Bei einem Tiefgang laut Messbrief von 20cm (ich hab das nachher beim Kranen auch noch mal verifiziert), auch kein Wunder. Wir entschließen uns letztendlich mehr nach Hinten zu schauen. Da der Pole auch noch 2 Stunden nach uns ankommen kann und dann immer noch berechnet vorne liegt, fokusieren wir uns auf den Russen, der einen ähnlichen Rennwert hat wie wir. Bei weniger Wind muss er schneller sein. Bei allem über 10 Knoten müssen wir schneller sein. Ausgehend von einem 1 Punkt Differenz, beschließen wir dicht bei ihm zu bleiben. Das gelingt im Start schon mal nicht. Wir streifen ihn beim Startschiff ab und beginnen die Kreuz bei Winden zwischen 8 und 10 Knoten als luvwärtigstes Schiff. Immerhin sorgt der Dreher dafür, dass wir als erstes Schiff an der Luvmarke ankommen. Da wird es aber dann wieder spannend. Der enge Reach beginnt mit Genaker, wechselt dann auf Fock und ist immer noch eine Spur zu viel für unseren CodeZero. Die Russen und Schweden probieren es trotzdem. Wir führen weiter das Feld an. Freude kommt aber nicht auf. Dank des etwas hektischen Morgens und der ganzen Rechnerei hat keiner von uns die GPS Positionen der Bahnmarken einprogrammiert. So beginnt lustiges Bojenraten. Pünktlich zum Samstag haben auch alle Clubs am See Regattabahnen ausgelegt. Immerhin sind wir nicht die einzigen und ein munteres Rumgeeiere führt das Feld Richtung Nordufer. Die Schweden finden die richtige Marke vor uns und übernehmen die Führung. Wir setzen auf dem Rückweg dann auch den CodeZer0 und halten den Russen in Schach, während der Wind weiter abnimmt.ORC Sportboat European Championship 2015 - Open 800 und Farr25An der nächsten Bahnmarke liegt die Cheetah fest. Wir vermuten, dass sie sich mit ihrem langen Kiel im Grundgeschirr festgefahren haben. Beim Kranen zeugen allerdings ein paar Kilo Schlick auf der Oberseite der Bombe davon, dass die Bahnmarke auf zu flachem Grund lag und die Wikinger schlicht weg aufgessesen sind. Bitter, nachdem schon die erste Langstrecke wegen Kollision aufgegeben werden musste. Da hat bestimmt auch wer neue Segelklamotten am Leib! Ein Kommentar verbietet sich allerdings. Das ausladende Heck der festsitzenden Cheetah verhindert, dass wir die Tonne anliegen können. Im letzten Moment müssen wir noch mal wenden. Was besonders bitter ist, da unser russischer Freund mit Wegerecht über uns liegt und nicht mehr wenden muss. Als wir langsam abfallen und die Open800 am Heck passieren, kann ich es genau sehen. Bei den Russen wird ausschließlich altes Material verwendet! Ob die irgendwann auch noch mal Pech haben werden? Der kommende Downwind wird zum Flautenkrimi. Wir halsen mit den Russen raus auf den See. Die Schweden und die Schweizer folgen uns. Nur die ganzen Ungarn fahren einfach weiter. Die wissen auch bestimmt wo die Wendemarke ist… Die Flaute wird zu Diskussionen genutzt, wer nun Vergessen hat, was wo zu speichern. Ist auch ganz gut so, denn anders ließe sich die Spannung nicht aushalten. Mal enteilt uns der Russe, mal schließen wir auf, mal führen die Schweizer, mal die Schweden. Topfschlagen ist ein Dreck dagegen. Nur die Ungarn brettern plötzlich am Ufer entlang, fahren durch zwei Buchten und sind plötzlich vorne. Dabei haben die alle neues Material! Wieso haben die denn so viel Dussel? Scheinbar schlägt Lokalwissen, Pech (Herr Kemmling wir erwarten eine Analyse!). Wir halsen verzweifelt Richtung Ufer und bekommen dadurch immerhin den Wind vor unseren direkten Konkurrenten. Die letzte Kreuz bleibt spannend. Wir decken den Russen und bleiben links, wo die Ungarn den Wind her hatten. Die fahren währenddessen wieder auf den See raus. Die Russen belauern uns, probieren Scheinwenden und andere Tricks um aus unserer Deckung auszubrechen. Immerhin bringt uns das beide in den Wind, während das Feld auf dem See verhungert. Am Ende erreichen wir als erstes Schiff das Ziel. Direkt nach uns kommt der Russe und die Flaar26 rein. Leider kommt nun auch von hinten der neue Wind und schiebt das Feld dicht aufeinander Richtung Ziel. Berechnet reicht der 5. Platz aber um weiterhin auf dem zweiten Gesamtrang zu bleiben. Bitter für den Russen: Der Pole fährt mit neuem Wind noch rein und verdrängt die wirklich gut segelnden Russen am Ende von Platz3.

Boot abbauen, Zollformalien klären, Siegerehrung. Der Rest verschwindet in einer Wolke aus Raki und den verschiedensten Klängen aus 1001 Nacht.

Was bleibt? Eine spannende Euro. Und die Gewissheit, dass unsere Farr25 gut mit den deutlich größeren Sportbooten mithalten kann. Vom Speed gehörten wir immer zu den Top3 Booten. Dazu freuen wir uns zu sehen, dass die Farr25 nicht nur in SMS und IRC funktioniert, sondern auch in ORC eine gute Figur macht. Für die kommende Saison ist schon eine Rückkehr nach Europa geplant. Euro in Italien (Venedig) und ein paar mehr Regatten im Norden. Wer mal mit will, darf sich gerne melden!

Mai 162015
 

Von unserem Türkei (und eigentlich alles hinter Österreich) Korrespondenten für SailingAnarchy.de haben wir einen umfangreichen Ausblick zu der ORC Sportboat European Championship 2015 erhalten. Anarchist Pussy Galore wirft einen Blick zurück auf die Entwicklung der Sportbooteszene in Europa und wundert sich zu Recht, dass aus der einst so starken deutschen Flotte kein Boot den Weg nach Ungarn gefunden hat, um in der kommenden Woche auf dem Balaton mit den Sportkameraden um die Wette über den See zu glitschen. Er wird die EM auf der Farr25 segeln und uns auf über die Entwicklung auf dem Plattensee auf dem Laufenden halten, vielen Dank dafür im Voraus und ich drücke dem Team um Eigner Sanus aus der Türkei die Daumen!

Sail like 2001! Sportboot Europameisterschaft am Balaton

Wenn man mal den September ausklammert, war 2001 ein super Jahr. Zumindest im Segeln. Sturm Rund Um am Bodensee. Cento auch mit gut Druck durchgestanden. Und was später zur X-Treme 25 wird, macht auf europäischen Regattabahnen Furore. Die von Lutra gezeichnete „Bolwerk“ räumt kräftig Silber ab und wird am Ende auch verdient Europameister.

Zeitsprung: 14 Jahre später. Das heißt 14 x die Kieler Woche überlebt, Wasahalle wird zum Elklinetreff statt Jungfrauenfalle, Russell Coutts hat sich vom Segelstar zum Segelyuppie gemausert, Alinghi ist erst ganz groß und dann ganz klein, IMS wurde ORC, hanseatischer IRC Aufstand an der Küste, Multihulls siegen bei RundUm, Liberaboykott, Wild Lady strandet am Gardasee, Einheitsklasse statt Vermessungssegeln, J/70 Revolution, Segel Bundesliga …

Ne Menge hat sich getan: Haare grauer, Bäuchlein größer … Bei aller Änderung bleibt aber zum Glück auch einiges konstant: zum Beispiel die Meckerei! Vermessung doof, Wettfahrtleitung schuld, Einheitsklasse super, viel zu viele Klassen, viel zu kleine Felder, wer segelt denn noch, was macht der Nachwuchs und ach ja Seemannschaft ist auch nicht mehr was sie mal war …

Irgendein Nostalgiker beim ORC muss wohl bei einer wehmütigen Wintertraumstunde die großartige Idee gekommen sein, die guten alten Zeiten wieder herauf zu beschwören. Also wurde schwuppdiwupp die alte Sportbootklasse reaktiviert. Hat ja ne Zeitlang auch richtig gut funktioniert. Straffe Felder, ein Maximum an unterschiedlichen Designansätzen, viel Speed, viel Adrenalin, viel Spass… Ging nur leider irgendwann total den Bach runter. Ein letztes müdes Aufzucken in Sankt Petersburg mit der letzten Euro dort im Jahr 2007.

Zumindest dem Ostblockgedanken scheint man beim ORC treu bleiben zu wollen. Kein Wunder, hat sich doch hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang eine vielfältige Sportbootszene entwickelt. Thompsons, Delphias, Gins, SB20s, Flotten und Projekte gedeihen prima im östlichen Europa. Grund genug, dass man sich dieses Jahr am Balaton versammelt, um zu ersten Mal wieder um die Europameisterschaft zu segeln. Ursprünglich waren von den ambitionierten Veranstaltern um die 80 Boote versprochen worden. Eine Woche vor den Meisterschaften verzeichnet die Meldeliste immerhin 38 Boote aus 9 Nationen. Nicht schlecht für ein erstes Revival. Nebenbei haben die Veranstalter auch Klassenwertungen die Veranstaltung integriert. Ab 5 Booten gibt es eine separate Wertung. Dies hatte zur Folge, dass mehrere ungarische Flotten im Verbund gemeldet haben.
CODE 8 - Pauger - Boot Düsseldorf 2013 - Photo © SailingAnrchy.deDie stärkste Flotte hierbei stellen die Code8. Die in Ungarn produzierten Sportboote haben vor 2 Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt, als sie bei der Bodensee RundUm Teams einen Charterverzicht im Falle eines Sieges anboten. Gebracht hat es leider wenig, am Ende mussten alle Teams den Mietpreis zahlen. Trotzdem ist das Boot beeindruckend. Die 8 Meter lange Carbonkonstruktion bringt gerade einmal 1.200 kg auf die Waage. Das Carbonrigg von Pauger ragt 13 Meter in die Höhe. Downwind wird das Boot von 90qm Genaker beschleunigt. Gezielt für die schwachwindigen europäischen Seen entwickelt, soll die Code8 auf dem Heimatrevier für Silber sorgen. Damit das klappt, haben die Entwickler gleich die gesamte bisher produzierte Flotte mobilisiert. Sechs dieser Rennziegen werden am Balaton an den Start gehen. Bei einem ORC Club Rennwert von ca. 580 wird der Wettbewerb für die Code8s allerdings hart.

Zweite Meldung auf der Liste ist ein altbekanntes Ass: BOLWERK. Back to the Future! Die Niederländer wollen gerne wieder an alte Zeiten anknüpfen. Dass die Lutra 25 in den letzten 15 Jahren kaum gealtert ist, zeigt schon der Rennwert von 628. Damit liegt die Lutra nahe an der Melges24 und der neuen Farr25 des türkischen Teams. Mit 1.330 kg ein bisschen schwerer als die Code8, verfügt Bolwerk aber über genügend Segelfläche um es den ungarischen Carbonracern schwer zu machen. Dazu gehört das Team sicherlich zu den erfahrensten Playern.
Farr25 - Photo: Anarchist Pussy GaloreErfahrung bringen allerdings auch die Türken mit an den Balaton. Die Farr25 wurde von Eigner Sükrü Sanus in Kooperation mit Farr Yacht Design in mehrjähriger Planungszeit entwickelt. Der ehemalige 470er Olympionike wollte das perfekte Sportboot als Ersatz für seine Olympiajolle. Obwohl aus Glasfaser gebaut, kommt die Farr25 auf nur 930kg. Ein 72qm Genaker sorgt für genügend Vortrieb. Upwind profitiert das steife Sportboot von seinem Squarehead Groß mit 22qm und einer Fock mit knapp 14qm. Mit einem Rennwert von 626 muss die 300kg leichtere Farr25 den Kurs in annährend gleicher Zeit wie die Lutra 25 absolvieren. Die erfolgsverwöhnte Crew startet auch mit klaren Ambitionen. Die letzten zwei Jahre wurde das Team türkischer Sportbootmeister. Dementsprechend wurde den Winter über trainiert. Ob sich das Training allerdings gelohnt hat, bleibt offen.

Longtze Premier - Primo Cup 2009 - Photocredit: Longtze Yachts
Denn aus der Schweiz kommt ein noch leichterer Herausforderer. Die von Beat Frank gesteuerte Longtze SUI 826 bringt knapp nur 2/3 des Gewichts der Farr25 auf die Waage. Mit 630 kg gehört das Boot zu den leichtesten Designs im Feld. Dabei hat es aber trotzdem gehörig Segelfläche. Der Genaker bringt es auf knapp 60qm, Groß und Fock zusammen auf knapp 34qm. Die Kombination aus Segelfäche und Leichtbau resultiert allerdings in einem sehr niedrigen Rennwert um die 600 Punkte. Frank und seine Mannschaft haben aber in den letzten Jahren gezeigt, dass sie diesen auch herausfahren können. Sowohl beim jährlichen SportbootCup in Kreuzlingen als auch bei Klassenregatten ist das Team immer in den TOP3 vertreten.
Flaar26 - boot Düsseldorf 2014 - Photo © SailingAnarchy.deNeben den neueren Designs stehen auch jede Menge Exoten auf der Liste. Zu erst die lokalen T-Jollen, die mit Trapez ausgerüstet sind. Dann ein russischer Open800, der vom Design her ebenso wie die neu entwickelte Flaar26 stark an einen geschrumpften Open60 erinnert. Ganz neu auf der Meldeliste findet sich auch ein radikale Konstruktion: Die SK-2, die für den Warschauer Segelclub startet. Das Canting-Keel Design fällt wegen zu kurzer Länge eigentlich aus der Sportbootklasse heraus, wurde aber von den Veranstaltern trotzdem registriert.SK2 - Düsseldorf 2015 - Gesamt von achtern - Photo © SailingAnarchy.de 2015Neben den Extremansätzen finden sich auch diverse Serienklassiker auf der Meldeliste. Mehre 8mOD und Elliot 770s fordern die Einzelbauten heraus. Gerade in Mittelwindbedingungen um die 12-15 Knoten können die 8mOD mit ihren Spinakern zur Gefahr für die Genakerboote werden. Während die Spiboot annährend direkt nach unten fahren, müssen die Geniboote durch den höheren Windwinkel einen Umweg in Kauf nehmen. Ob der sich dann schon lohnt, steht nicht immer fest.

Es bleibt also eine Woche vor Beginn der Europameisterschaft spannend. Eine richtige Favoritenrolle ist bis jetzt nicht erkennbar. Nur eines ist Gewiss: Alle Teams spekulieren auf Leichtwind. In den letzten Wochen wurde beim ORC noch mancher Messbrief geändert. Dabei zeigt sich ein gemeinsamer Trend. Alle Teams haben das Crewgewicht dramatisch verringert und sparen wohl eine Person ein.

Am Ende ist es schade, dass es kein einziges deutsches Team an den Balaton geschafft hat. Sportboote gibt es ja immer noch genug auf deutschen Gewässern.