Apr 062015
 

Es gibt keinen absoluten Tiefpunkt beim America’s Cup, es geht immer noch ein bisschen was: Nach der Auslagerung der Regatta vom Heimgewässer des amerikanischen Verteidigers ins britische Bermuda wurde nun die Bootsklasse geändert: Viele Einheitsteile, 14 Fuß kürzer und damit nur noch drei Fuß länger als die AC45 Einheitsklasse der nahezu bedeutungslosen ACWS. Was erneut für mediale Schlammschlachten sorgt.

Dabei wird offensichtlich, dass der verteidigende Golden Gate Yacht Club (GGYC) nichts mehr zu sagen und alle Macht auf die Veranstaltungsorganisation ACEA übertragen hat. Für den 35sten America’s Cup steht diese unter der Leitung des fünffachen AC-Gewinners Russell Coutts, der während der letzten Austragung Chef den Verteidigerteams Oracle Team USA (OTUSA) war. Der Neuseeländer mag zwar ein begnadeter Segler und Teamchef sein, als Geschäfts- und Marketingmann glänzt er nicht. Den Auftrag seines Brötchengebers und OTUSA Teameigners, Oracle-Milliardär Larry Ellison, den AC auf sichere finanzielle Füße zu stellen, hat er bisher nicht erfüllt.

Da waren sie wenigstens noch groß: AC72 im letzten Rennen des AC34 vor Alcatraz
Da waren sie wenigstens noch groß: AC72 im letzten Rennen des AC34 vor Alcatraz (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich Coutts nicht mit dem Scheitern der World Sailing League abgefunden hat, einer 2007 geplanten Katamaranserie, die nie das Licht der Welt erblickte. Die ACWS hatte schon große Ähnlichkeit mit dem alten Konzept, der neue AC kommt ihm bereits unheimlich nah. Fehlen nur noch mehr Teams.

Also fiel Coutts zur Lösung seiner Probleme „Kostensenkung“ ein, was auch bei allen Herausforderern, echten und eingebildeten, erstmal gut ankam. Bei der Durchführung hingegen ließ er keine Gelegenheit aus, Murphys Gesetz anzuwenden.

Tatkräftige Hilfe bekam er dabei dieses Mal vom Herausforderer vom Dienst (Challenger of Record, CoR) Luna Rossa aus Italien, die nach dem Rückzug des eigentlichen CoRs Hamilton Island Yacht Club darauf bestanden hatten, ein aus allen Herausforderern bestehendes Komitee als CoR einzusetzen. Ein fragwürdiges Manöver angesichts der uralten Stiftungsurkunde Deed of Gift, die die Rahmenregeln des America’s Cups festlegt. Dort ist lediglich von einem Herausforderer die Rede. Viel Interpretationsspielraum lässt diese Formulierung nicht zu, insbesondere, da jedes bisher ergangene Gerichtsurteil zum AC – und davon gibt es einige – sich auf die wortwörtliche Auslegung des Dokuments von 1887 mit den Änderungen aus 1956 und 1985 bezog.

Nur, wo kein Kläger, da kein Richter, und so führte die Angst der Italiener vor Verantwortung dazu, dass in den meisten Fällen jetzt die einfache Mehrheit der Herausforderer einen Beschluss fällt, der mit dem Verteidiger verhandelt werden kann.

Eine Vorgehensweise, die Luna Rossa noch bereuen sollte…

Vergangene Woche nun sollten abermals Kosten gedrückt und weitere Herausforderer angelockt werden. ACEA hatte einige Maßnahmen vorgeschlagen, die vom Verteidiger und dem Komitee beschlossen wurden: Statt foilender 62-Füßer sollten 48“ kurze Boote über’s Wasser fliegen. Damit sind die eigentlichen AC-Boote nur knapp einen Meter länger als die Sportgeräte der ACWS, die von OTUSA und den Herausfordererteams Luna Rossa und Artemis aus Schweden bereits als Foiler umgebaut und erfolgreich getestet wurden. Die 48-Füßer werden sicherlich spektakulär anzusehen sein, wie die Testboote bereits gezeigt haben. Ob sie allerdings die Grandeur ausstrahlen, die man von einem AC-Boot als Unterscheidung zu anderen Klassen erwartet, ist fraglich.

Klein und wild: OTUSAs foilende AC45S in San Francisco
Klein und wild: OTUSAs foilende AC45S in San Francisco (Foto © Balazs Gardi)

Des Weiteren wurden viele Designfreiheiten eingeschränkt: Die Rümpfe, Querträger und Flügel sind faktisch Einheitsteile; freigestellt sind Foils, ihre Steuerung und aerodynamische Applikationen. Bei dieser Menge an Restriktionen wird der traditionelle Kern des ACs in Frage gestellt. Das ursprüngliche „Mein Boot ist besser als Dein Boot“ verkommt zu einfach nur ‘ner weiteren Regatta.

Neben Luna Rossa waren an der Abstimmung auch die anderen Herausforderer beteiligt:

  • Team France unter der Leitung des Um-die-Welt-Spezialisten Franck Cammas, die ihr Nenngeld immer noch nicht zur Gänze entrichtet haben
  • die Briten um den super-erfolgreichen Olympioniken Ben Ainslie (BAR)
  • Artemis mit dem zweifachem Olympiasieger Iain Percy als Skipper und dem Gunvor-Mehrheitseigner Torbjörn Törnqvist als Geldgeber
  • und die tragischen Verlierer des letzten AC, Emirates Team New Zealand (ETNZ).

Das Votum ging 3:2 aus, wobei die „2“ für Luna Rossa und ETNZ steht, die gegen die Klassenänderung gestimmt hatten. Wen wundert’s, hatte Luna Rossa doch bereits vor fast einem Jahr begonnen, die größeren Boote zu entwickeln und sah diesen Vorsprung auf einen Schlag nivelliert – nur gut 18 Monate vor dem Match. Teameigner Patrizio Bertelli hatte dann auch die Nase voll vom „Rin inne Kartoffeln, raus aus de Kartoffeln“ und zog die Nennung des Teams zurück. Selber schuld, denn als alleiniger CoR hätte er das Sagen von Herausfordererseite gehabt. Nun musste er sich dem Abstimmungsergebnis beugen.

Luna Rossa werde aber seinen verbliebenen Verpflichtungen nachkommen, hieß es in der Presseerklärung zum Rückzug. Damit kann die ACWS-Regatta Anfang Juni in Cagliari gemeint sein, deren Austragung jetzt auf wackligen Füßen steht.

Schnauze voll, denn so groß werden die Boote nicht: Luna Rossas Chef Patrizio Bertelli und sein Skipper Max Sirena bei der ACWS in Neapel 2012
Schnauze voll, denn so groß werden die Boote nicht: Luna Rossas Chef Patrizio Bertelli und sein Skipper Max Sirena bei der ACWS in Neapel 2012 (Foto © Carlo Borlenghi)

Der Fall ETNZ stellt sich etwas anders dar

Generell hatte die Kiwi-Mannschaft nichts gegen kostengünstigere Boote einzuwenden, auch, wenn die Regeländerung etwas spät und irgendwie willkürlich daherkam. Es ging um etwas ganz anderes: Da im Protokoll eine amerikanisierte Form des AC vorgeschrieben wird, mit Qualifyern und Play-offs, hatte es sich angeboten, die verschiedenen Veranstaltungsteile auch – als Roadshow sozusagen – an verschiedene Austragungsorte zu verkaufen. Auckland hatte sich interessiert gezeigt und war in seinen Verhandlungen mit ACEA wohl auch schon weit fortgeschritten, so dass eine Ausrichtungszusage nur noch Formsache war. Im Gegenzug hätte ETNZ auf weitere Milliönchen aus dem neuseeländischen Tourismus-Werbebudget hoffen können.

Leider wären aber die Kosten für die anderen Teams durch einen Besuch auf der anderen Seite der Erde gestiegen. Der Enthusiasmus über die Aussicht, Boot, Team, Ausrüstung, Workshops und Familien für drei Monate fernab der Heimbasis und lokalen Lieferanten anzusiedeln, hielt sich also in Grenzen. Wie dienlich war es da, dass die Abstimmung über die Bootsklasse auch die Frage „Nach Auckland oder nicht?“ beinhaltete. Das Ergebnis steht oben.

ETNZ beschwerte sich in den Medien, dass eine Entscheidung über Austragungsorte ACEA-Verhandlungs-, aber nicht Teilnehmer-Abstimmungssache sei, rief das AC-Schiedsgericht an (Entscheidung irgendwann einmal) und bekam von den anderen, verbliebenen Teams postwendend eine der peinlichsten Presseerklärungen zugestellt, die der AC je hervorgebracht hat. Das weinerlich-beleidigte Pamphlet ließ an Substanz vermissen, enthielt dafür aber Schelte für die Kritik an den Regeländerungen.

Noch geht das Licht nicht aus: Der America’s Cup ganz stimmungsvoll
Noch geht das Licht nicht aus: Der America’s Cup ganz stimmungsvoll (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Geradezu amüsant ist, was sich seitdem auf den Facebook-Profilen von Russell Coutts und dem America’s Cup abspielt. Die überwältigende Mehrheit der Poster ist bitter enttäuscht von den Änderungen. „Das ist nicht der America’s Cup“ ist – zusammengefasst und freundlich formuliert – die Kernaussage der meisten Beiträge.

Zwei Challenger of Record weggerannt, Bermuda, Einheitsdesignklasse und Miniboote – auch das wird nicht das Ende des America’s Cup sein, nur eine vorübergehende Schwäche. Bis jemand dem von Larry Ellisons Team entmachteten GGYC die olle Kanne wegnimmt und seine eigene Version der Veranstaltung bastelt. Ob die dann besser wird?

Was das noch mit Segeln zu tun hat? Wenig. Vielmehr ist der AC ein Gesamtkunstwerk, bestehend aus Juristerei, medialen Schlammschlachten, wechselnden Allianzen, Betrug, Täuschung, technischen Erfindungen und der gelegentlichen Regatta zwischendurch. Wer ihn so betrachten kann, fühlt sich allzeit bestens unterhalten. Versucht’s mal.

Jan 292015
 

Das unter anderem die Americas Cup Teams ETNZ und BAR haben nicht für die neue Saison der Extreme Sailing Series gemeldet haben ist nachvollziehbar, sie stecken die ihnen zur Verfügung stehende Zeit und Geld in ihre Vorbereitung auf den nächsten AC. Zu diesen Vorbereitung gehört auch, sich mit den Verhältnissen vor Ort vertraut zu machen und soviel Erfahrungen wie möglich über Revier und Wind- und Wetterverhältnisse zu sammeln. Das Team von Ben Ainslie Racing hat mit ihrem 20´ Katamaran die ersten Testflüge auf dem Wasser vor Bermuda absolviert und nutzt die Gelegenheit, ihre Fans per Video auf dem Laufenden zu halten.

Dez 032014
 

Die gestrige Pressekonferenz in New York bestätigte das am schlechtesten gehütete Geheimnis der laufenden Vorbereitungen zum 35sten America’s Cup: Austragungsort wird im Juni 2017 das Britische Überseeterritorium Bermuda. Damit ist der Verteidiger Golden Gate Yacht Club (GGYC) der erste, der nicht aus Notwendigkeit, sondern aus freiem Willen den Cup außerhalb seines Heimatlandes verteidigt.

Natürlich freut sich Bermuda, gestern vertreten durch keinen Geringeren als den Premierminister der Insel, Michael Dunkley, über den Zuschlag. Es sei doch ein wunderbares Segelrevier, ein toller Urlaubsort, das Paradies auf Erden.

Ein schönes Segelrevier: Bermuda, Austragungsort des 35sten America’s Cup
Ein schönes Segelrevier: Bermuda, Austragungsort des 35sten America’s Cup (Foto © Bermuda Tourism Authority)

Da mag er wohl Recht haben. Dass GGYC aber mit einer weiteren alten Tradition bricht, den Cup, wenn schon nicht in seinen Heimgewässern, so doch wenigstens im Heimatland zu verteidigen, stößt vielen AC-Fans bitter auf. Die ersten 50 Kommentare auf der AC-Facebookseite sprechen Bände, alle weiteren haben wir nicht mehr gelesen.

Natürlich hatte damals, 2007, die Société Nautique de Genève (SNG) als Verteidiger mit Ernesto Bertarellis Team Alinghi auch nicht die Schweiz und dort z.B. den Genfer See gewählt, sondern war nach Valencia in Spanien "ausgewandert". Was übrigens zu einem der lukrativsten ACs überhaupt geführt hatte – für die teilnehmenden Teams und die austragende Organisation, aber auch, so munkelt man, für die Bertarelli-Familie über Hotel- und Grundstücksgeschäfte. Doch wäre eine Verteidigung im Binnenland Schweiz ebenso schwer mit der Salzwassertradition des AC vereinbar gewesen wie eine Auslagerung. So verband SNG das Nützliche mit dem Angenehmen, und ein Präzedenzfall wurde geschaffen.

Meint man das mit “Bermuda Dreieck”?
Meint man das mit “Bermuda Dreieck”? (Foto © ACEA)

GGYC, der Veranstaltungsorganisator ACEA und das repräsentierende Team des Software-Milliardärs Larry Ellison Oracle Team USA treiben dieses Spiel nun weiter. Obwohl sie fast 20.000 Kilometer Küste an zwei Ozeanen in den USA zur Verfügung haben, hat Bermuda wohl ein Angebot gemacht, dass sie nicht ablehnen konnten. San Diego, auf US-Boden der letzte Mitstreiter um den Austragungsort, zog den Kürzeren. Die für den letzten Cup so heiß angepriesene "beste, größte, fantastischste Windmaschine" San Francisco, Heimatort des Verteidigers, war bereits zu Beginn der Verhandlungen aus dem Rennen. Die Stadtväter wollten lieber Kostenbeiträge für Infrastruktur und Sicherheit erhalten, als selber noch die Austragungsrechte zu bezahlen.

Allgemein scheint bei den Herausfordererteams die Erleichterung zu überwiegen, dass nun endlich ein Ort feststeht. Ein bisschen verloren sah Franck Cammas, Team France, aus, obwohl die Verkündung seines Hauptsponsors angeblich kurz bevor steht. Vielleicht wissen wir mehr nach dem Salon Nautique International de Paris, der am Nikolaustag beginnt. Keiner der Vertreter von Ben Ainslie Racing (GBR), Luna Rossa (ITA), Emirates Team New Zealand (NZL), Team France (FRA) und Artemis Racing (SWE) ließ sich jedoch über den Zustand des jeweiligen Sponsoringstandes aus, doch ist das französische Team mutmaßlich am gefährdetsten, den finanziellen Cut nicht zu schaffen. Da kommt nun erschwerend hinzu, dass die Ortswahl Bermuda für französische Sponsoren wenig geeignet erscheint.

Alle glücklich? Verteidiger-Skipper James Spithill und die Herausforderer
Alle glücklich? Verteidiger-Skipper James Spithill und die Herausforderer (Foto © ACEA/Gilles Martin-Raget)

Emirates Team New Zealand (ETNZ), das ebenso keinen Milliardär im Rücken hat und auf Sponsorengelder angewiesen ist, glaubt, dass Bermuda seine Finanzierung nicht gefährde. Auch wenn einige seiner Sponsoren lieber San Francisco, oder doch wenigstens San Diego gesehen hätten.

Die Details über den AC in Bermuda lassen aber auf eine interessante Veranstaltung hoffen:

Das "America's Cup Village" wird auf dem Royal Naval Dockyard gebaut. Wie schon in Valencia 2007 sollen alle Teams ihre Arbeitsbereiche zentral und beieinander haben. Der Regattakurs befindet sich im Great Sound.

Keine wirkliche Überraschung, aber eine angenehme Bestätigung ist, dass Neuseeland einen großen Teil der Gesamtregatta abhaben möchte. Das könnte bedeuten, dass die Qualifikationsrennen der Herausforderer-Auswahlserie (jetzt: Qualifiers, bisher: Round Robin des Louis Vuitton Cups) in der südlichen Hemisphäre stattfinden werden. Es wird Zeit, auf eine Doppelreise zu sparen: Erst Neuseeland, dann Bermuda. Außer, es finden sich nicht mehr als vier Herausforderer, dann wird nur in Bermuda gesegelt.

Markiert Eure Kalender: So könnte es im Juni 2017 aussehen
Markiert Eure Kalender: So könnte es im Juni 2017 aussehen (Foto © ACEA)

Bis dahin können für Besuche der ACWS, die mit nun doch foilenden AC45s ausgetragen wird, folgende Ferien gebucht werden:

Erster Lauf: 5.-7. Juni 2015
Portsmouth, GBR: 23.-26. Juli 2015
Göteborg, SWE: 28-30. August 2015
Hamilton, Bermuda: 16.-18. Oktober 2015

Ein Austragungsort für 2016 steht auch schon fest: Chicago (USA) in Sommer.

Auch der Youth America's Cup – wieder von Red Bull unterstützt – soll in den kleinen fliegenden Booten gesegelt werden.

Die Drei mit der Kanne: Harvey Schiller (Commercial Commissioner des AC), Russell Coutts (CEO von ACEA) und der Premieminister von Bermuda, Mr. Michael Dunkley
Die Drei mit der Kanne: Harvey Schiller (Commercial Commissioner des AC), Russell Coutts (CEO von ACEA) und der Premieminister von Bermuda, Mr. Michael Dunkley (Foto © ACEA/ Gilles Martin-Raget)

Ein paar Geheimnisse bleiben aber noch: Der Regattadirektor steht zwar schon fest; dass es wie zum 34sten AC Iain Murray sein wird, kann aber erst nach der Beendigung der Einstellungsverhandlungen offiziell vermeldet werden. Auch sind noch zwei weitere Herausforderer in der Warteschleife, die auf Evaluierung warten und in den nächsten Wochen bekanntgegeben werden sollen wie auch die TV-Verträge und wichtige Veranstaltungssponsoren.

So können noch einige Überraschungen auf uns zukommen, bis im Sommer 2017 die 65 Fuß großen Katamarane um die Ehre segeln, eine uralte, hässliche Kanne in den Himmel zu heben. Mal sehen, was sich der Verteidiger bis dahin alles noch so einfallen lässt…

Jul 212014
 

Eigentlich sollte hier ein Artikel über die GC32-Regatta in Kiel stehen. Doch eine Woche vor Veranstaltungsbeginn wurde diese abgesagt, laut Presseerklärung des Veranstalters wegen technischer Probleme, die verhindert hätten, dass ausreichend viele Boote hätten antreten können. Nun ja, keine gute Werbung für eine neue Serie, die das seit dem letzten America’s Cup salonfähig gewordene Foilen Seglern und Fans näherbringen möchte. Apropos America’s Cup…

Nach der phänomenalen Verteidigung des America’s Cups durch Oracle Team USA (OTUSA) im September vergangenen Jahres war es erstmal still geworden um die alte Kanne. Bis vor einigen Wochen das Protokoll zur 35sten Austragung vom Golden Gate Yacht Club (GGYC) als Oracle Racings Patron und dem Herausforderer vom Dienst (Challenger of Record, CoR) Hamilton Island Yacht Club (HIYC) unterschrieben wurde.

Ein Protokoll, das

– wieder die Teilnahme an der America’s Cup World Series in vorerst nicht-foilenden AC45 vorschreibt

– die Herausfordererserie (vormals Louis Vuitton Cup) in Qualifiers mit allen Teams – immerhin gibt es da schon den ersten Punkt für den eigentlichen America’s Cup zu holen – und Challenger Playoffs mit den vier besten Herausforderern zerstückelt – die Playoffs finden dabei an einem anderen, dem eigentlichen Match-Ort statt

– es dem Verteidiger OTUSA erlaubt, in den Qualifiers bei den Herausforderern mitzusegeln

– keine internationale Jury mehr vorsieht, sondern ein Schiedsgericht aus drei Mitgliedern des CAS (Court of Arbitration of Sport) – bye-bye ISAF

Und Boote gibt’s auch
Die gerade neu für den letzten Cup entworfene Klasse der AC72 hat nun lediglich Schrottwert, denn es gibt was Neues: foilende Katamarane, 62ft lang, mit vielen Einheitskomponenten, um Kosten zu sparen. Oracle Racing als Verteidiger stehen, wenn sie nicht mehr gegen die Herausforderer in den Vorrunden segeln, zwei Plattformen (Rümpfe und Traversen) aus derselben Form zu, den Herausforderern jeweils ein Satz. Vorteil OTUSA, falls es mal rumst und das Wettkampfboot irreparabel beschädigt ist.

Höre ich da jemanden „Ernesto Bertarelli“ flüstern? In der Tat, viele dieser Punkte sind, wenn auch anders umgesetzt, SNGs Ideen zum 33. AC sehr ähnlich. Eben noch von Oracle Racing bekämpft und nun von den gleichen Leuten ins Regelwerk gegossen. Honi soit qui mal y pense.

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Drei Fälle für den Mülleimer: Statt 72 Fuß dürfen die Boote nur noch 62 Fuß lang sein, und San Francisco als Austragungsort ist auch Geschichte. (Foto © Andy)

Nun kann es aber noch seltsamer kommen
Die Austragungsorte stehen nämlich nicht im Protokoll, sondern nur, dass wir am 31. Dezember dieses Jahres mehr wissen werden. Und wer nun glaubt, dass es sicherlich wieder San Francisco sein wird, liegt schief. AC-Haudegen Russell Coutts in seiner Funktion als CEO des Ausrichters ACEA hat offensichtlich wenig Feingefühl bei seinen Verhandlungen mit der Pazifikstadt gehabt, so dass nach kurzer Zeit beide Seiten ihr Desinteresse an einer weiteren Zusammenarbeit kundtaten. Und so blieben San Diego und Bermuda, ein britisches Überseeterritorium, im Rennen um den Austragungsort, nachdem Chicago aussortiert wurde. Die interessierten Herausfordererteams überschlugen sich jedenfalls nicht vor Freude über diese Auswahl. Insbesondere kommerzielle Teams, die sich nicht auf das Ego eines Milliardärs als Geldgeber stützen, können mit San Diego nur bedingt und mit Bermuda gar nichts anfangen. Hier wird klar, dass Coutts‘ oft verkündete „Kommerzialisierung des Cups“ Geld in Russell’s Taschen über eine Austragungsgebühr vom Veranstaltungsort bedeutet und nicht Möglichkeiten der Sponsorenbespaßung für die Herausfordererteams zu schaffen.

Nun müssen wir und ins Gedächtnis zurückrufen, dass sich GGYC das Protokoll nicht alleine ausgedacht hat, sondern der Herausforderer vom Dienst, HIYC, unter Bob Oatley als Commodore und Iain Murray – eben noch Regattadirektor für AC34 und nun Teamchef – mitverhandelt hat.

Umso erstaunlicher war, was am letzten Freitag passierte: HIYC zog seine Herausforderung zurück! Zum zweiten Mal bei zwei Verteidigungen steht GGYC ohne CoR da. Ein bisschen peinlich ist das schon.

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Iain Murray: Regattadirektor für den 34sten America’s Cup, dann Repräsentant des ex-CoRs für AC35. (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Die Frage, die sich jetzt aufdrängt: Warum?
Offiziell werden finanzielle Gründe genannt, die Hoffnung, das Protokoll so zu gestalten, dass eine Teilnahme erschwinglich sei, und der Schwerpunkt wieder auf den eigentlichen Sport zurückkehre. Die Oatelys, spätestens bekannt durch ihre gefühlten 1000 Siege beim Sydney-Hobart Race, hatten sich die AC-Welt wohl anders vorgestellt. Glaubten sie doch, das Protokoll ermögliche eine erfolgreiche Teilnahme für 50 Millionen Dollar, und alles, was an Kleingeld fehlen sollte, könnten Sponsoren beibringen, denen San Francisco als attraktiver Ort zum Geschäfte- und Werbungmachen verkauft werden kann.

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Wein und Ferieninsel genügen nicht, um eine America’s Cup-Herausforderung zu stemmen: HIYC-Commodore Bob und -Vorsitzender Sandy Oatley (Foto © Andrea Francolini)

Und nun eventuell Bermuda? Ein Eiland, das als Ferienort der Begüterten in direkter Konkurrenz zu Oatleys Hamilton Island Resort steht? Wo es nicht genug Zuschauer geben wird, die Winzer Oatleys Weine probieren möchten? Das war denn wohl zu viel, und der HIYC zog seine Herausforderung zurück.

Nun regelt das Protokoll auch diesen Fall. Der nächste Herausforderer rückt nach und übernimmt die CoR-Rolle. Nur, wer soll das sein? Die Tatsache, dass sieben Tage nach der Abgabe der Herausforderung bereits eine Million Dollar Nenngeld fällig wird und bis Ende des Jahres nochmal zwei Millionen, lässt einige interessierte Teams bis zur Deadline am 8. August warten, auch in der Hoffnung, dass im Falle zu weniger Herausforderer die Gebühren sinken. Das hatte beim 34sten America’s Cup ja auch funktioniert.

Emirates Team New Zealand hat anscheinend noch nicht genannt. Ben Ainslie Racing aus Großbritannien? Die Italiener von Luna Rossa? Artemis Racing aus Schweden, die bereits verlauten haben lassen, dass sie an der CoR-Rolle nicht noch einmal interessiert seien?

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Hat schon viel gesehen in seiner über 160 Jahre alten Geschichte: Der America’s Cup (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Wenn auch unwahrscheinlich, so gibt es tatsächlich eine kleine Chance, dass das Protokoll mit einem neuen CoR neu verhandelt wird. Doch, was soll sich ändern? Die Entscheidung über den Austragungsort fällt der Verteidiger oder seine Beauftragten von ACEA. Und damit kann er beeinflussen, wie leicht oder schwer die Finanzierung der kommerziellen Teams, vornehmlich Emirates Team New Zealands und Ben Ainslie Racings, wird. Auch eine Möglichkeit, die Konkurrenz zu schwächen.

Den America’s Cup an sich wirft dieser weitere Rücktritt eines Challengers of  Record nicht aus der Bahn, die „hässliche Gießkanne“ hat schon ganz Anderes gesehen und überlebt. Solange es Milliardärsegos gibt, die locker über hundert Millionen Dollar für ihr Hobby springen lassen, wird es heißen: The Show Must Go On.

Sep 292013
 

Nun ist es also wirklich soweit: Schluss, aus, vorbei. Zwei Wochen Freud und Leid in San Francisco und ein paar Tage zu Hause vor dem Rechner mit Livebildern über YouTube für die Autorin, und der 34ste America’s Cup hat sein Ende gefunden. Mit einem verdienten Sieger Oracle Team USA und einem fast tragischen Verlierer Emirates Team New Zealand.

AC34_Pelicans_P1100800Nur die Pelikane waren schneller: Verteidiger und Sieger Oracle Team USA (Foto © Andy)

Was war?
In der nun einsetzenden Rückschau zeichnet sich ab, dass die Kiwis nach ihren Anfangserfolgen auf tiefgreifende Weiterentwicklung verzichtet haben, während die Amis ununterbrochen weiterübten, weiterforschten und weiterbauten. Als die Boote dann auf gleichem Niveau segelten, häuften sich die taktischen Fehler auf neuseeländischer Seite, während das Oracle-Team, auch dank der höheren Bootsgeschwindigkeit, souveränere Entscheidungen treffen konnte. Das Fast-Kentern der Jungs von der anderen Seite der Welt im achten Rennen könnte ebenfalls seine Spuren in den Köpfen der Crew hinterlassen haben. Etwas vorsichtiger sind sie danach zuwege gegangen. Und dann soll da ja noch „Herbie“ oder „SAS“ an Bord OTUSAs sein, das automatische Foil-Stabilisationssystem, aus der Luftfahrt übernommen, lauffähig seitdem das Team regelmäßig gewann und wohlmöglich nicht reglementskonform. Ob es überhaupt existiert und falls ja, wie es funktioniert, weiß niemand außerhalb OTUSA so genau. Fest steht aber, dass, was immer sich an Bord des Verteidigerbootes „17“ befand, von den Vermessern akzeptiert wurde. Grand Dalton, CEO des Herausfordererteams dementierte somit auch alle Spekulationen, ETNZ werde rechtliche Schritte gegen OTUSA einleiten. Gut so.

AC34_fog_P1100994Typisch San Fran: Golden Gate Bridge im Nebel, gesegelt wird trotzdem (Foto © Andy)

Was bleibt?
Eine tolle Zeit, die die Autorin in San Francisco hatte, einer weltoffenen, sehenswerten Stadt, die wirklich eine Reise wert ist – vielleicht zum 35sten America’s Cup. Viele Treffen mit Anarchisten aus allen Teilen der Welt, spannende Rennen in atemberaubenden Booten und nicht zuletzt die Bestätigung der Erkenntnis, dass Glück, Können und Wind jederzeit umschlagen können.

AC34_fans_P1110415Viel Blau-Rot-Weiß: Fans beider Lager auf der Wellenorgel. (Foto © Andy)

Was kommt?
Eine ungewisse Zukunft für das Emirates Team New Zealand. Ohne Anschlussfinanzierung durch die neuseeländische Regierung wie nach Valencia 2007 über das Tourismusbudget, kann die Firma ETNZ ihre Mitarbeiter nicht mehr halten, und angeblich zeigen schon andere Teams Interesse am Kiwi-Personal. Das ist wohl der stärkste Wermutstropfen im Nachgang des 34sten America’s Cup. Bleibt die Hoffnung, dass die Sponsoren des Teams die guten Gründe erkennen, ein Fortbestehen sofort zu garantieren: Wer hätte nach dem lausigen Louis Vuitton Cup gedacht, dass die drei Wochen im September eine nie vorher gesehene Welle von Sympathie, internationaler Reichweite und Anerkennung für ETNZ lostreten können? Jeder Marketingchef sollte sich glücklich schätzen, beim nächsten Mal das Team von der Insel im Südpazifik unterstützen zu dürfen.

AC34__Alcatraz_P1110515Immer wieder gerne fotografiert: Rotes Boot vor Alcatraz (Foto © Andy)

Ein neuer Herausforderer: Zwar noch nicht offiziell verkündet, aber schon herausgesickert ist, dass der Hamilton Island Yacht Club aus Australien "Challenger of Record" sein wird. Bob Oatley, bekannt durch seine „Wild Oats“-Kampagnen, könnte das Team stellen.

AC34__heli_P1110355Auch Hubschrauberfans kamen auf ihre Kosten: ACEAs TV-Produktion ließ sich nicht lumpen. (Foto © Andy)

Ein neues Protokoll, das die sportlichen, juristischen und technischen Rahmenbedingungen für den 35sten AC festlegt. Die Boote werden sicher wieder zwei Rümpfe haben und aufs Fliegen sollte auch nicht mehr verzichtet werden. Aber alles andere ist noch ungewiss: Werden sie ein Flügelrigg oder weiche Großsegel haben? Werden sie 72, 65, 60 oder 50 Fuß lang sein? Wie niedrig und hoch werden die Windgeschwindigkeiten angesetzt, bei denen ein Rennen gestartet und beendet wird? Wird es wieder möglich sein, dass sich mehrere Teams ein Grunddesign teilen? Wie unabhängig wird die Organisation sein? All diese Fragen werden hoffentlich bald und unter Einbeziehung der „Lessons Learned“ aus AC34 beantwortet werden. Bis dahin und darüber hinaus aber gilt:

Es bleibt spannend!