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Segeln in einer anderen Dimension!

SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß

30.09.2009 - Irgendwie sollte es dieses Jahr nichts mit einem Segeltörn werden.  Dafür stellte sich dann bei Planung des alternativen Urlaubes heraus, das zum geplanten Termin in Cannes Bootsausstellung sei. Wow, also warum nicht mal Yachten im Wasser statt in der Halle anschauen? Und in der Tat der Salon Nautiques de Cannes hat schon seinen Charme. Bei herrlichem Wetter erkunden wir barfuß und in Shorts die aktuellen Neuheiten und einige Yachten, die man sonst eher selten zu Gesicht bekommt. Eine der vielen Schönheiten sticht besonders heraus: Die Le Breton SIG 45. Schon seit einer Weile beobachte ich die Entwicklung dieses Kohlefaser-Fahrtenkats. Dieses Schiff dann  endlich live im Wasser zu sehen, ist schon was Besonderes.

SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß

Die Frage, an Bord kommen zu dürfen wird freudig begrüßt. Das Schiff ist breit, dafür bietet das offene Brückendeck enorm viel Platz. Trotzdem sind die Beschläge durchdacht angebracht, die Steuerposition klasse, man kommt sich nicht verloren vor. Besonders das zentrale Winschpodest hinter dem Mast macht Laune. Hier sollten Segelmanöver ohne größere Probleme machbar sein. Bruno Peyron hat ganze Arbeit geleistet! Schauen wir mal unter Deck: 6 Kojen, ein kleiner, aber brauchbarer und nicht ungemütlicher Salon, eine ordentliche Pantry, zwei WC-Räume, alles da. Irgendwie hatte ich mich ein wenig vor der Kombination von Schwarz und Weiß gefürchtet. Auf Fotos wirkt das manchmal unheimlich unterkühlt. Aber hier im warmen Mittelmeerklima macht sich das ausgezeichnet. Dazu trägt aber auch die saubere Arbeit der Werft bei. Ich zumindest fühle mich sofort wohl.

SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß

Später kommen wir mit Hugo LeBreton ins Gespräch, was in der Einladung zu einem Testschlag gipfelt. Zwei Tage später lassen dann Wind und Terminkalender einen Schlag mit diesem Super Cruiser zu. Ist es gegen neun Uhr noch recht flau, baut sich doch bis Mittag eine nette Brise von 16-18 Knoten auf, also beste Bedingungen. Neben uns haben sich noch weitere Gäste eingefunden und rasch helfen wir Hugo LeBreton, seinem Geschäftspartner Bernhard und seiner Schwester das Schiff seeklar zu machen und raus geht es. Das Ablegemanöver klappt wunderbar. Draußen dann Segelsetzen.

SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Photocopyright: Jens Krauß

Beim Groß gestaltet sich es trotz der perfekt angeordneten Winschen und Klemmen etwas schwierig, weil das Fall irgendwo in der Mitte des Mastes nahe am Drehpunkt aus tritt und man deshalb nicht mit Körpergewicht und Schwerkraft arbeiten kann. Stattdessen ziehen wir zu dritt horizontal, wofür jedoch genügend Platz zur Verfügung steht. Das Kurbeln der letzten Meter gestaltet sich dann so komfortable wie ich mit das gedacht hatte. Ich würde mir für das Fahrtensegeln mit kleiner Crew noch eine E-Winsch wünschen. Das Aus- und Einrollen der Vorsegel ist jedoch wieder das erwartete Kinderspiel. Die Leinen laufen leicht und mit wenigen Umlenkungen. Nach dem das Groß oben ist, dass Vorliek mit Hilfe der Cunningham auf Spannung gebracht und die Selbstwendefock ausgerollt ist, verstummen die Diesel und wir segeln.... Ein tolles Gefühl.

SIG 45 in Cannes -  Großschottrimm - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Großschottrimm - Photocopyright: Jens Krauß

Der Speed pendelt sich laut Logge bei 12 Knoten ein. Wir sind jedoch noch ein wenig in der Abdeckung der Lerins Inseln, und um uns herum kurven Powerboote und wühlen das Meer unnütz auf. Einige Minuten später dann baut sich der Speed langsam auf. Bernhard zupfelt noch hier und da ein wenig und das Speedo geht auf 14 Knoten hoch. Irre! Aber Bernhard und Hugo sind noch nicht zufrieden. “Das stimmt doch nicht, wir sind schneller” meint Bernhard und verschwindet am Kartentisch, um am GPS nachzusehen. Über Grund pendelt der Speed nun zwischen 14 und 17 Knoten. Die Instrumente seien nicht richtig kalibriert, sagt er. Bernhard winkt mich freudig herbei und meint, ich solle doch mal durchs Fluchtluk ein Foto der Ruderblätter machen. Und tatsächlich hebt sich der Luvrumpf in jeder Bö ein Stückchen aus dem Wasser. Dabei beschleunigt die SIG völlig ungerührt. Ein unsicheres Gefühl will bei mir dennoch nicht aufkommen. Und lauter als andere Boote ist die Yacht auch nicht.

SIG 45 in Cannes - Hoch das Bein! - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Hoch das Bein! - Photocopyright: Jens Krauß

Das Schiff durchschneidet die kleinen Wellen völlig ungerührt und liegt wie ein Brett im Wasser, gelegentlich fliegt etwas Spray über den Leerumpf, ansonsten bleibt das Boot trocken. Auch wenn wir durch die Hecksee der größeren Motoryachten heizen, nimmt sie die Wellen ungerührt. Auf einem Einrumpfer hätte ich mir da immer etwas zum Festhalten gesucht, auf der SIG 45 braucht man das nicht.

SIG 45 in Cannes - Schlendern auf dem Brückendeck - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Schlendern auf dem Brückendeck - Photocopyright: Jens Krauß

Fasziniert bewegen wir uns an Deck und unterhalten uns entspannt. Irgendwann fliegt mir meine Basecap weg, der scheinbare Wind liegt nun wohl zwischen 25 und 30 Knoten. Im Schatten wird es kühl. Das einzig Störende bei der Rauschefahrt ist das Singen der Diamonds. Sie sind aus Kohle und schwingen in dem starken scheinbaren Wind. Hier wird noch etwas geändert meint Hugo LeBreton, dass geht so nicht. Dann kommt die erste Wende und selbst mit der kleinen Selbstwendefock ist das kein Problem. Kein Handgriff ist nötig, nur der Seitenwechsel. Wenige Sekunden später laufen wir wieder Full Speed, Klasse! Später darf ich auch mal an das Ruder. Trotz der Geschwindigkeit ist wenig Druck auf dem Ruder. Man merkt zwar, dass was passiert, aber man steuert das Boot mit zwei Fingern, es gehorcht auf jeden kleinen Ruderausschlag, aber überhaupt nicht nervös, eher gelassen ist mein Empfinden. Nach Windfäden segeln ist einfacher als ich mir das gedacht hatte. Drei Grad abfallen, zwei Grad anluven, die Pinne ein klein wenig bewegen, und schon erreicht man was man will, Überreaktionen gibt es nicht. So habe ich das beim Segeln noch nicht erlebt. Viel zu früh kommt dann das Signal zum umkehren. Also abfallen und den Genacker ausrollen. Nun steigt das Speedo abermals. Wir erreichen bis zu 20 Knoten über Grund.

SIG 45 in Cannes - Speed ca. 20 kns  - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Speed ca. 20 kns  - Photocopyright: Jens Krauß

Dabei läuft nach wie vor alles ziemlich entspannt. Das Gefühl am Ruder hat sich nicht verändert. Jede kleine Änderung wird sofort umgesetzt. Das ist einfach irre. Dabei sind selbst die Beschleunigungen von der sanften Natur, man wird nicht von den Beinen gerissen wie man das gelegentlich von den großen Rennmultis hört. Von hinten kommt nun eine größere Motoryacht auf. Wir bringen uns auf Parallelkurs, und sie schafft es eine Weile nicht, uns näher zu kommen.

SIG 45 in Cannes - Speed einer Motoryacht  - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Speed einer Motoryacht  - Photocopyright: Jens Krauß

Dann müssen wir jedoch halsen, zurück in Richtung Hafen und für meinen Geschmack viel zu früh. Das Einrollen der Segel geht schnell und einfach. Das Anlegemanöver verläuft trotz Seitenwind ebenfalls problemlos. Langsam lassen wir uns vom Wind quer treiben bis wir die Box erreicht haben, dann Rückwärts rein. Wir helfen noch dabei das Boot wieder messefein zu machen und dann endet ein wunderbarer Nachmittag. Vielen Dank noch mal an Herrn LeBreton für die Einladung!

Was ist nun das Besondere an diesem Boot? Die Geschwindigkeit, sicherlich. Mit welchem Fahrtenschiff segelt man eben mal mit 20 Knoten bei 17 Knoten wahrem Wind. Doch was dieses Schiff wirklich zu etwas Besonderem macht, ist Leichtigkeit, die Gelassenheit, mit der sie segelt. Das ist einfach sensationell und das muss man erlebt haben, da man es sonst nicht glauben wird.

SIG 45 in Cannes - Passieren von Motoryachtwellen  - Photocopyright: Jens Krauß
SIG 45 in Cannes - Passieren von Motoryachtwellen  - Photocopyright: Jens Krauß

Sie ist ein Schiff von Seglern für Segler, kein treibendes Seezeichen oder Wohnmobil mit Antifouling, wie man Multis manchmal scherzhaft nennt. Bleibt der Preis. Der liegt schon recht hoch, bedenkt man jedoch das entsprechend ausgerichtete und gebaute Monos (mir fallen da nur die Marten 49 und die Baltic 50 ein) im Preis ähnlich liegen, dann relativiert sich selbiger wieder. Auf jeden Fall aber ist die SIG 45 ein ganz besonderes Schiff!

 

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