Cat scatch fever
iShares Cup Amsterdam 2009 - Photocopyright: Th.Martinez/Sea&Co/OCEvents
25.09.2009 - Heute startet in Amsterdam der 5. Regattaevent des iShares Cup und bereits gestern hat es in dem 4. Lauf des Media Race heftig gekracht: Ecover wurde von Oman Sail Renaissance auf die Hörner genommen. Nach dem Crash von Kiel steht Ecover schon wieder an Land und die alle sind fleißig am werkeln in der Hoffnung, dass sie das Schiff wieder zu den heute beginnenden Wettfahrten flott bekommen.
Wir drehen die Zeit schnell etwas zurück und hier ist der Bericht von LargeThomas über seinen Trip in die Welt dieser schnellen Doppelrümpfer, die er in Kiel live für SailingAnarchy.de besteigen durften:
Es wird kolportiert, dass Darth Vader in seinem Versuch, Luke Skywalker auf die Dunkle Seite der Macht zu ziehen den Satz verwendete: "Come to the Dark Side, we have cookies!" Ungefähr so fühlte ich mich, als sich aus heiterem Himmel eine Einladung von OmanSail für den iShares Cup in Kiel in meinem Emailkasten fand. Wie bitte? Mitsegeln auf einem Extreme 40? Mit OmanSail? Womöglich mit dem großen Loick Peyron als Skipper? KEKSE!! Zwei Wochen später finde ich mich in Kiel wieder, es ist windig, es ist kalt, es hat mehr oder minder das ganze Wochenende lang geregnet. Dass der Tag wettertechnisch unangenehm werden wird, ist abzusehen. Dennoch, lasst mich endlich auf diesen Kat!!
Skipper Meeting, iShares Cup Kiel 2009 - Photocopyright: Thomas Schmidt
Im VIP-Zelt steht die Traube der versammelten Skipper bei der Morgenbesprechung: Loick Peyron (OmanSail Renaissance), Franck Cammas (Groupama 40), Mike Golding (Ecover), Mitch Booth (Holmatro), Shirley Robertson (iShares), Nick Moloney (BT), Pete Cummings (OmanSail Masirah), Erik Maris (LUNA), Yann Guichard (Gitana Extreme - Groupe LCF Rothschild), Roland Gabler (Wirsol Team Germany Kiel.Sailing City). Ein paar der ganz Großen des internationalen Offshoresegelns und der olympischen Klassen, Spezialisten mit teilweise jahrzehntelanger Erfahrung auf Mehrrumpfbooten im Regattabereich. Golding und Moloney sind zwar lange Zeit nur bei den Einrümpfern anzutreffen gewesen, haben sich aber nun in die Welt des iShares Cups gestürzt. Für Golding stand Kiel jedoch unter keinem guten Stern: Er kenterte nach dem 3. Rennen am ersten Renntag, brach sich den Mast. Zum Glück wird bei jedem Event von der Organisation ein Ersatzmast mitgeführt. Ich wundere mich, wie groß eigentlich alle diese Skipper sind: Alle scheinen "handlich und kompakte" Kraftpakete zu sein!
Die Sponsoren der Boote sind sich offenbar der enormen Publikumswirksamkeit dieses Events bewusst: Was könnte besser sein, als wenige Meter vor den Nasen der Zuschauer herumzukurven? Immerhin ist dies wohl eine der wenigen Segelveranstaltungen, der auch Nichtsegler anzieht. Auch das mit seiner Segelwoche verwöhnte Kiel hat hiermit eindeutig noch eine Dimension dazu gewonnen: So spektakuläre Boote finden sich auf der KW normalerweise nicht, hier waren wohl die Rennen der America's-Cup-Yachten zum German Sailing Grand Prix 2007 die Einzigen, die den Extreme 40s Konkurrenz machen könnten.
Man sagt mir, dass man mich auf OmanSail "Masirah", das rote Boot, setzen würde. Eine kurze Enttäuschung: Kein Peyron? Immerhin, sage ich mir, ist das Boot von Skipper Pete Cummings aber derzeit sowohl in Kiel als auch in der Gesamtwertung des iShares Cup führend. Mehr ist da nicht zu wollen! Außerdem ist natürlich sowieso vor oder gar während des Rennens an ein Interview gar nicht zu denken.
iShares Cup Kiel 2009 - Photocopyright: Thomas Schmidt
Das zweite Rennen des Tages wird meines sein, und als das erste Rennen beginnt, bin ich auch froh darüber: Masirah bleibt schon beim Start zurück, kann sich keine gute Position an der Linie erkämpfen. Sie werden "nur" Siebente. Aber eines ist im iShares Cup sehr deutlich: Das Potential der Mannschaften ist grundsätzlich hoch, wenn auch das deutsche Team "WIRSOL TEAM GERMANY KIEL.SAILING CITY" noch mit Startschwierigkeiten und der sehr starken Konkurrenz zu kämpfen hat, und Mike Goldings "Ecover" von einer miesen Pechsträhne verfolgt wird und gerade am Sonntag morgen erst wieder ins Wasser gesetzt worden ist. Es hat sich aber gezeigt, dass eigentlich jedes Team, das deutsche ob ihres "Frischlingsstatus" in Kiel wieder ausgeschlossen, zu einem Rennsieg fähig ist. Auf der anderen Seite hat sich Masirah in der gesamten Rennserie dieses Jahres mit ziemlich konstanten Ergebnissen präsentiert, ist der Favorit für den Gesamtsieg... wozu muss man mit Loick Peyron segeln!?!
Das Wetter hat für einige Zeit ein Einsehen mit mir, der Seegang auf der Förde ist zum Glück nicht stark und so ist es kein Problem vom RIB auf das Boot überzusteigen. An Bord werde ich von Skipper Pete Cummings, Steuermann Chris Draper, Großtrimmer Mark Burkeley mit Händedruck und einem kurzen "Hi, how are you?" begrüßt. Als letzter ist der stämmige Vorschoter David Carr dran: "Hi, I'm David, and I'll tell you where to be at what time." Ich nicke, damit kann ich umgehen, Du schreist, ich renne. "Es gibt zwei Plätze, wo Du sein wirst: links und rechts auf dem Kreis", sagt David, und ich wäre fast vor Lachen rückwärts von Bord gefallen. "Okay, auf dem Inspektionsdeckel, backbord und steuerbord, und ich wechsele wenn Du's mir sagst", gebe ich zurück, aber außer einem Nicken bekomme ich keine Reaktion, für einen Moment fordert das Geschehen auf dem Wasser ganz seine Aufmerksamkeit. Was für eine zusätzliche Belastung so ein nicht mitsegelnder Beifahrer sein muss... Leider werde ich gebeten, meine Kamera zurück auf's RIB zu geben, da man Angst hat, dass ich mich irgendwie in den Schoten verhänge wenn es eng wird. Zwar bin ich ein wenig zerknirscht darüber, aber die Herren wissen, wovon sie reden und immerhin sind sie die Meister auf dem Boot. Die Vorsichtsmaßnahme steigert meine Aufregung zusätzlich: Wie wird dieses Boot laufen, wenn es erst einmal richtig loslegt?
iShares Cup Kiel 2009 - Photocopyright: Thomas Schmidt
Nach vorherigen Erfahrungen mit labberigen Netzen zwischen Katamaranrümpfen versuche ich mich leichtfüßig über das Netz zu hangeln, aber das stellt sich aus unnötig heraus: Das Ding ist steinhart und läuft sich hervorragend. Auch ansonsten geht es hier wunderbar aufgeräumt zu, all zu viel kann man an einem Extreme 40 offenbar nicht verregeln. Gut so! Zwar ist der Mast drehbar gelagert, und der Unterliekstrecker ist hydraulisch, aber dafür läuft die kleine Fock (die Boote sind extrem großsegellastig geriggt) auf einer Selbstwendeschiene, und alle Leinen und Schoten laufen übersichtlich und relativ stolpersicher übers Netz. Humorlos sind meine Fahrer zum Glück nicht, und man nimmt sich auch selbst nichts zu ernst. "Du schreibst für Sailing Anarchy? Da müssen wir ja aufpassen, was wir sagen, sonst landet das morgen auf der Frontseite." (Anmerkung des Autors: Darum musste dieses "morgen" ist ein bisschen länger dauern!)
Der Vorstart wird über Walkytalky bekannt gegeben, David macht am Mast sitzend einen Orientierungsblick, gibt ein paar kurze Informationen an den Skipper weiter, aber irgend eine Art von Anspannung ist den Vieren nicht anzumerken. Ich bin wohl zur Zeit der Aufgeregteste an Bord. Wie verdammt professionell können Profis eigentlich sein? Die Enge auf der Förde macht selbst den Vorstart zu einem chaotisch scheinenden Ballsaal; man tanzt klassisch, kein Ballett. Mehrere Male ziehen andere Katamarane in geringem Abstand an uns vorbei, aber die Teams halten ihre Rösser im Zaum, keines der Boote hebt auch nur eine Tatze. Zwar sind in kurzen Böen schon kleine Geschwindigkeitssprünge merklich, aber die Männer reagieren routiniert, eine kurzer Pinnenausschlag, den Großschottraveller ein wenig leewärts gleiten lassen, und das Boot liegt wieder ruhig da. Die ersten drei Minuten der Vorstarts verstreichen ohne das meine Fahrer sich großartig über das bevorstehende Rennen unterhalten würden, dass Gespräch dreht sich um eine mögliche spätere Änderung des Regattaparcours.
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iShares Cup Kiel 2009 - Photocopyright: Thomas Schmidt
Mit dem Ein-Minuten-Signal kommt endlich Bewegung in die vier, ein paar kurze Anweisungen vom Skipper an seinen Steuermann, eine Wende, dann nähern wir uns der Startlinie. Mark trimmt sein Großsegel, gleichzeitig entrollt David den Gennacker, und "Masirah" hebt ab. Ein Adrenalinstoß durchfährt mich! Ich hocke an meinem Platz auf dem Inspektionsdeckel auf dem Backbordschwimmer, die linke Hand im hohlen Querbeam des Katamarans festgekrallt. Beeindruckend: Das Boot beschleunigt spürbar, aber sauber, kein Rucken, hörbar nur ein kurzes Spannen der Schoten und dann das Rauschen des Wassers unter unserem Steuerbordschwimmer.
"Masirah" geht in einem Bilderbuchstart zum Schuss über die Linie, als Erste vor allen Anderen, jagt auf einer Kufe schnurstracks auf die Reventlouwiese zu. Vom Kai ist Applaus hörbar. David grinst mich an, als ob er sagen wollte: "Siehst Du? Dafür lohnt sich das!" Die erste Boje ist eigentlich ein Tor, kurz hinter dem Anleger Reventlou, von wo man taktisch die Möglichkeit hätte, backbord oder steuerbord zu drehen. Vier Bootslängen vor der Boje rollt David den Gennacker weg und wirft sich ins Zeug, reißt die Rolle auf das Trampolin, lässt sie in einer sauberen Schleife fallen, sichert sie mit einem Gummizug am Netz und hockt sich dann ins Lee. Wir wenden nach Backbord, vom Bootsspeed getragen. Die Haare stehen mir zu Berge: Der Kai kann kaum 15 Meter entfernt sein, die Menschen sind deutlich zu erkennen. "Over!", ruft David mir zu, und ich springe hinüber, ducke mich unter dem Großbaum weg und hocke mich zu dem stämmigen Briten auf "meine" Inspektionsluke. Der nickt mir zu, ist's zufrieden. Mark und er trimmen ihre Segel nach, dann geht's wieder in Richtung des großen HDW-Krans auf der Nordseite der Förde. Wir wenden wieder, Seitenwechsel, David reißt den Gennacker in die Höhe. Der Mann, der als einer der kräftigsten Trimmer der Rennserie gehandelt wird, braucht scheinbar kaum fünf Sekunden.
iShares Cup Kiel 2009 - Photocopyright: Thomas Schmidt
In meiner Begeisterung, dem schnellen Wechsel, zwischen Wenden, Seitenwechseln, Gennacker-Auf- und Abholen, registriere ich fast nicht, wie wir vier Runden drehen. Es ist an Skipper Pete, mich anzugrinsen, dann fällt der Zielschuss, David springt auf und reckt die Faust in die Höhe, Chris steht auf und winkt, Mark fiert die Großschot auf. Lauter Applaus und Jubel ist vom Kai zu hören, und zum ersten Mal schaue ich mich nach unseren Konkurrenten um: Offenbar haben meine Gastgeber soeben ihren ersten Tagesgewinn eingefahren!! Etwas benommen schüttele ich mich, grinse zu Pete zurück, gratuliere allen, schüttele Hände. Die Jungs sind freundlich, bedanken sich für die Glückwünsche. Kurz wallt Enttäuschung in mir auf, dass das Rennen schon wieder vorbei ist! Diese Jungs haben geschafft, mich zu beeindrucken, und mir wird klar, was für ein starkes Marketingwerkzeug doch ein solcher Ritt auf dem Kat ist! Und wie die Welt seinen Lauf nehmen muss, alles hat ein Ende, auch der Kat hat eins, aber das RIB geht längsseits. Skipper Pete schüttelt mir noch einmal die Hand: "Es ist gut, mal jemanden an Bord zu haben, der weiß, was er zu tun hat!" (Maulhalten und Stillsitzen, jawohl Herr General!)
An Land angekommen dauert es eine ganze Weile, bis ich mir wieder vollkommen sich bin, dass dieser wilde Ritt real war, und er hinterlässt mich komplett beeindruckt. In der Folge gewinnt OmanSail Masirah den iShares Cup Kiel 2009, jedoch nur knapp, ist sie doch immerhin gleichauf mit... OmanSail Renaissance, dem Boot von Loick Peyron. Der hatte sich im Rennen noch einmal einen ersten Platz gesichert, während Petes Jungs auf Platz 8 ankamen. Am Ende entschieden Masirahs 6 ersten Plätze gegenüber Renaissances 5 über den Eventgewinn. In der Gesamtwertung des iShares Cups führt Masirah damit mit 37 Punkten vor den Franzosen von "Gitana Extreme-Groupe LCF Rothschild", die mit vier Punkten Abstand und gleichauf mit Renaissance liegen.
Die nächste Etappe des iShares Cup wird vom 25. bis 27. September in Amsterdam stattfinden, bevor sich die Teams für das Finale der Serie vom 10. bis 12. Oktober in Almería in Andalusien/Spanien einfinden werden. Noch ist alles offen, und man darf gespannt sein.
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