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Wet Welcome - Outsider - Copyright: HSH Nordbank AG/Nico Krauss
Copyright: HSH Nordbank AG/Nico Krauss

Wenn man ein Boot zum Cruisen und zum Regattasegeln bauen will, muß man einen Kompromiß bauen. Soweit klar. Aber leider wird der Kompromiß eigentlich immer bei den Segeleigenschaften gemacht und nie beim Komfort. Das Ergebnis sind immer gleiche, langweilige 08/15-Boote.

Aber – es gibt Hoffnung, wenigstens in Kiel. Der Kieler Tilmar Hansen hat sich über die Jahre einen Ruf gemacht, indem er mit radikalen Booten die Regattafelder aufmischt. Mit seiner alten „Outsider“, einer Elliot 45 mit allem was schnell macht, hat er bereits eine eindrucksvolle Sammlung an First Ship Home-Pokalen. Mit ihren 4,2 m Tiefgang, einem drehbaren Flügelmast und einem schwenkbaren Gennakerbaum für die 250 m²-Tüte zeigte sie den langweiligen Standard-Joghurtbechern, was ein wirklich cooles Boot ist.

OUTSIDER im Hafen HH - Photocopyright: Nils Hagemeister
Outsider im Hamburg, Photocopyright: Nils Hagemeister / sailinganarchy.de

Dann allerdings kam das HSH Nordbank blue race von Newport nach Cuxhaven. Tilmar wollte mit, und da er nicht vorhatte, länger als zwei Wochen für die 3600 Meilen zu brauchen, mußte etwas Größeres her. Als Designer wurde wieder Greg Elliot gewonnen, der sich vorher schon mit Designs wie Mari Cha IV und Maximus einen Namen gemacht hatte. Das Ergebnis war dann die Elliot 52 SS (Super Sport), zwar deutlich aus derselben Feder wie die 45er, aber weniger extrem, ohne so fragile Konstrukte wie den immer zickigen Gennakerprod, dafür mit Canting Keel und gerade mal 7,3 Tonnen Verdrängung.

Schon auf ihren ersten Wettfahrten in Neuseeland und auf dem Atlantik sammelte sie reichlich Silber, mußte aber leider das Fastnet abbrechen, nachdem das Groß und der Fuß des Vorschiffsmanns kaputt waren.

Mein „erstes Mal“ an Bord war dann die Überführung aus England. Von Portsmouth aus ging es in den Solent, und schon nur unter Groß waren dauerhaft 10 kn auf der Uhr. Mit der GIV und der Stagfock ging es dann richtig los. Als ich das erste Mal am Rohr stand, wollte ich da ungefähr fünf Stunden nicht mehr weg, so viel Spaß hatte ich. Mit der lächerlich geringen Verdrängung und den effektiven Rumpfanhängen ist dieser 52-Füßer kein Stück träger als eine J80 oder Melges – aber doppelt so lang. Das Boot dreht willig in jede Welle und fängt sofort an zu surfen. Bei 20 kn Wind hatten wir immer um die 15 kn auf der Uhr – im Cruising Mode!

Später auf der Autobahn im Englischen Kanal war eine gewisse Umstellung gefragt. Mit einem so schnellen Boot zieht die alte Taktik, Frachter immer hinterm Heck zu passieren, nicht mehr. Nicht selten läuft man so schnell wie kleine Küstenfrachter. Gleichzeitig war das Boot regelrecht unterhaltsam. Geschwindigkeiten um 18 oder 20 kn waren völlig normal (1 Reff und GIV!!). Und sogar wenn der Bug sich mit der Gewalt einer Dampframme in die nächste Welle bohrte blieb das Boot voll unter Kontrolle. Keine Tendenz auszubrechen oder aus dem Ruder zu laufen, das Boot stoppt nur ein (auf etwa 12 kn). Nachts wurde es dann doch ein bißchen unheimlich, als in der stockdunklen Nacht noch eine Schauerwolke durchging. Der Wind ging hoch bis auf 25 bis 30 kn, die Sicht ging runter auf buchstäblich null. Sobald das Boot im Surf war, war es schlicht nicht aufzuhalten. Die Wellen waren nicht zu sehen, man mußte sie einfach fühlen, und das bei um die 20 kn Fahrt. Ein bißchen wie Achterbahn zum Selberfahren, ziemlich unheimlich – aber geil!

Nach der Überführung konnte ich nicht anders und die lauten Rufe der Uni ignorieren, um mit Tilmar das erste Rennen in Outsiders Heimatgewässern zu segeln. Der beliebte HSH Nordbank blue cup (Kiel – Kopenhagen –Kiel) zog alle möglichen Boote an, von riesigen Swan-Panzern bis hin zu leichten Rennschüsseln (wobei die meisten leichten 40 Füßer ja immer noch schwerer sind als unser 52er). Die Etappe nach Kopenhagen wurde schlußendlich von wegen kein Wind abgeschossen, so daß davon nicht viel zu erzählen ist, nur soviel: in einer leeren Kohleschüssel 80 Meilen durchs Öl zu motoren ist nur ein klitzekleines bißchen besser als im Gegenstrom zu ankern... Die Liegeplätze in Kopenhagen sind immer ziemlich cool, man fährt durch den ganzen Hafen, vorbei an der riesigen neuen Oper (die der Stadt von der Reederei Maersk geschenkt wurde), am Schloß und der Yacht der Königsfamilie vorbei, und dann durch zwei Klappbrücken (wobei mitten in der Rush Hour zwei der Hauptverkehrsadern Kopenhagens stillgelegt werden) direkt vor die Zentrale der HSH. Mit einer Flotte von 45 Booten ergibt sich die Party natürlich eigentlich von selbst, aber besonders die Party in der Tiefgarage der HSH war wieder ausgezeichnet. Mit reichlich lecker Essen und lecker Bierchen im Bauch war die Motivation einiger, am nächsten Morgen zum Start raus zu fahren natürlich etwas geringer, aber sie hatten keine Wahl. Wer die einzige Brückenöffnung verpaßt, hat nur zwei Möglichkeiten: Kran rufen und Mast ziehen, um unten durch zu fahren, oder warten, bis die Flotte nächstes Jahr wiederkommt.

Am Start waren die Köpfe dann auch schnell wieder freigeblasen, die 20 kn Wind aus West verlangten nach ein bißchen Aufmerksamkeit, als es in vier Startgruppen wieder nach Hause ging. Mit Outsider landeten wir im letzten Start, was bedeutete, daß wir im Vorstart ein bißchen mehr Platz hatten (gar nicht so schlecht, wenn man mit 13 kn durch die Gegend orgelt).

Beim Schuß gingen wir mit vollem Groß und Stagfock über die Linie, und zogen dann schnell den kugelsicheren A0 hinterher. Mit dem Kiel voll in Luv rauschten wir mit 16 kn nach Süden durch das enge Fahrwasser (das bei diesen Geschwindigkeiten noch enger wirkt). Leider drehte der Wind ein bißchen auf den Kopf, also hieß es Jib Top hoch und Tüte runter. Den Cuben Fiber-A0 zu bergen war ein bißchen tricky, da der eigentlich mal zum rollen gedacht war. Leider läßt sich der Kollege aber nicht wirklich rollen, also mußten wir abfallen und ihn in den Niedergang bergen. Das muß ziemlich dramatisch ausgesehen haben, denn nach dem Abfallen war der Gegendruck für den Kiel weg, so daß wir mit 30 Grad Luvkrängung durch die Gegend fuhren. Normalerweise ist das ja immer ein Zeichen dafür, daß man noch ungefähr eine Sekunde hat, bis der Baum alles von Deck rasiert, aber Outsider war brav und schnell waren wir wieder auf Kurs.

OUTSIDER und TUTIMA - Start HSH Nordbank blue race 2007 ,  Photocopyright: HSH Nordbank/Nico Krauss
OUTSIDER und TUTIMA - Start HSH Nordbank blue race 2007 ,  Photocopyright: HSH Nordbank/Nico Krauss

In der kurzen Welle vor Kopenhagen genossen wir einige Minuten feinstes firehosing, als die Bugwelle über dem Dodger ins Cockpit brach. Währenddessen waren alle voll unter Dampf, um das Boot voll auszufahren, Vorschiff und Mast klarten ihre Baustellen auf und der Pitmann räumte seinen Kram aus dem Weg, während der Großtrimmer dutzendweise Grinder verschliß. Als wir endlich wieder auf der Kante saßen und mal einen Rundumblick riskieren konnten, wirkten die anderen Boote eher wie feste Seezeichen, um die wir einfach rumfuhren. Schon ein bißchen gemein – alle anderen freuten sich nen Keks, daß ihre Kutter endlich mal 10 kn auf der Uhr hatten, und wir fuhren einfach mal mit 17 oder 18 kn vorbei. Logischerweise dauerte es nicht lange, und wir waren aus dem Fahrwasser heraus und im Verkehrstrennungsgebiet Richtung Møn. Mit „doublehead“ Jib Top und Stagfock und später einem Reff im Groß kam der Rest der Flotte nach etwa einer Stunde außer Sicht. Wir mußten uns also einen neuen Gegner suchen, den wir in einem kleinen Frachter fanden. Klar, daß wir das Rennen gewannen, bis wir dann vor Mønsklint an den Wind gehen mußten.

Das war gleichzeitig auch ein etwas kritischer Punkt für uns. Jetzt mußte sich zeigen, ob wir auf dem Reach genug rausgefahren hatten, denn an der Kreuz war für uns nicht mehr allzuviel zu holen. Und der Rest der Reise war eine glatte Kreuz bei 18 kn Wind. Trotz Canting Keel gleitet das Boot am Wind nicht, so daß unser Geschwindigkeitsvorteil definitiv nicht reichen würde, um das Rating rauszufahren. So war das einzige, was wir tun konnten, mit ein bißchen Futter auf die Kante zu verschwinden und uns auf jedem Fall aus dem Gegenstrom rauszuhalten. Nach den Lektionen der Hinregatta sahen wir zu, daß wir im flachen Wasser blieben, das hieß also viel Arbeit für die Kielhydraulik und kein Schlaf für uns, da wir teilweise alle 10 Minuten wenden mußten. So ging es durch die aufziehende Nacht und erst nach einer Ewigkeit am Wind kroch das Feuer von Kiel LT über den Horizont, und nach einer weiteren Ewigkeit war endlich, nach 16:53 h der Leuchtturm und damit die Ziellinie passiert. Das klingt nicht zu schnell für 139 Meilen direkte Strecke, aber wenn man bedenkt, daß 2/3 des Kurses gegen Wind und Strom gingen, ist das schon ganz in Ordnung.Abends bei der Siegerehrung zeigte sich dann, daß es gereicht hatte, wir hatten mit Outsider alles gewonnen, was ging, darunter so schöne Dinge wie den R. T. Dixon Challenge Cup von 1912, Silber, das vorher schon mit so großen Namen wie Pinta oder Jan Pott graviert wurde.

Vielen Dank an dieser Stelle an die Organisatoren und Sponsoren, und an alle unsere Mitbewerber (auch wenn wir sie die meiste Zeit nicht sehen konnten). Wir hatten auf jeden Fall unseren Spaß bei diesem Ritt auf einem so coolen Boot.

Aber zum Fazit, was sagt uns all dies? Es gibt durchaus Boote, die aus der Masse der durchschnittlichen wurstigen Plastikeimer herausragen. Und es macht wirklich, wirklich Spaß sie zu segeln. Also, warum nicht ein cooles Boot kaufen wenn man kann? Warum kaufen sich so viele Leute irgendwelche Eimer, die nicht über 10 kn kommen, egal wie man sie tritt? So viele Eigner geben so viel Geld aus für Regattaboote, die niemals auch nur eine Meile cruisen. Also warum zum Henker sollte man noch Geld dafür ausgeben, daß man das ganze Cruising-Geraffel durch die Gegend fährt? Fürs Rating? Das ist doch wohl kein Argument. Anstatt Unmengen an Zeit und Geld in „IMS Optimierungen“ zu stecken (sprich das Boot langsam zu machen) – warum nicht einfach auf Speed fahren? Mit Booten, die Spaß machen, schnell sind? Warum nicht endlich weg von IMS anstatt sich Holz an den Kiel zu nageln und Blei in die Bilge zu stapeln? Meine Meinung... vielleicht irrelevant, aber doch wohl hoffentlich nicht allzu falsch.

Bleibt uns nur, uns darüber zu freuen, daß es wenigstens einige Eigner gibt, die Bock haben, mit richtig schnellen Booten zu segeln, und die Hoffnung, daß sich auch in Nordeuropa die Meinungen ändern und die Regattafelder ein bißchen interessanter werden.

Kauft geile Boote, ihr werdet es nicht bereuen!

Mathias Brückert, im August 2007

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