SA-Original
[Start] [Forum] [Archiv] [Was ist Sailing Anarchy?] [Impressum]

Sommerinterview - Markus Wieser 2010

Markus Wieser - Berlin, 25.06.2010 - Photocopyright: SailingAnarchy.de
Markus Wieser - Berlin, 25.06.2010 - Photocopyright: SailingAnarchy.de

SailingAnarchy.de: Herzlich Willkommen im SC Gothia! Wir freuen uns sehr, heute Markus Wieser zu einem Interview im Heimatclub von SailingAnarchy.de begrüßen zu dürfen. Markus, gleich die erste Frage an Dich: Weshalb bist Du in Berlin und nicht als frischgebackener Europameister der Drachen auf der Kieler Woche?
Markus Wieser: Wenn man sich umschaut sieht man den Drachen der Berliner Meister auf Parkplatz des SC Gothia und ebenfalls nicht in der Ostsee vor Kiel. Nach dem Gewinn der Europameisterschaft in Balatonkenese auf dem ungarischen Plattensee haben wir uns die Meldungen zur KW angeschaut und waren überrascht, wie wenige Boote dort aufgelistet waren. Sergei Pugatchev, der ukrainische Eigner der Transbunker Queen ist CEO der Transbunker Group, einem internationales Großunternehmen im Bereich des Transportes, der Lagerung und des Handels mit Erdölen. Sein Terminkalender ist entsprechend voll und so wurde angesichts der geringen Meldezahl entschieden, die Kieler Woche in diesem Jahr nicht zu segeln.

SA.de: Aus der Drachenklasse hört man, dass viele Segler den Ranglistenfaktor für die KW nicht verstehen. So gibt es für den Sieg bei dem Glücksburger Drachen Silber Cup in Flensburg mehr Punkte als für den Gewinn der Kieler Woche. Wie siehst Du das?
MW: Die KW ist nicht ohne Grund ein wirkliches Highlight im jedem Regattajahr. Als weltweit größte Veranstaltung bringt sie Segler von überall an die Ostsee. Jollen, Kielboote, olympische Klassen, Dickschiffe auf den Seebahnen, wirklich alles ist dort am Start. Wer sich auf die z.T. sehr weite Anreise zur Kieler Woche macht, der will sich dort mit den Besten seiner Klasse messen. Ich bin schon der Meinung, dass die Qualität der Veranstaltung und ihr Niveau sich auch in einem einem entsprechenden RL-Faktor zeigen sollte. Und man muß sich fragen, ob das wirklich passt, dass z.B. die Berliner Meisterschaft den gleichen RL-Faktor hat wie die Kieler Woche?

SA.de: Mit dem Transbunker Team hast Du die KW in den letzten beiden Jahren gewonnen. Vor wenigen Wochen bist Du zum dritten Mal hintereinander Europameister im Drachen mit Transbunker geworden. Euer Team aus der Ukraine dominierte in den vergangenen Jahren die Drachenklasse. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

MW: In 2006 hat Sergei Pugatchev nach einer gewonnenen Regatta unseren Segelstand gekauft. Wenig später kaufte er unser Boot und 6 Wochen nach dem er unseren Drachen hatte, schlug er uns eine Zusammenarbeit mit dem bereits bestehenden Transbunker Team vor. Wir haben uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie das funktionieren könnte, eine Lösung gefunden und jetzt segeln 3 Drachen für das Transbunker Team.

Team Transbunker - Photocopyright: Transbunker
Von links: Matti Paschen, Sergei Pugatchev, Markus Wieser - Photocopyright: Transbunker

SA.de: Hat Herr Pugatchev einen seglerischen Hintergrund oder bedient er das beliebte Klischee vom reichen Russen, der sich ein neues Spielzeug leistet?
MW: Ganz falsch! Sergei segelte schon zu Zeiten der UdSSR. Er kommt aus dem 470er und viele Leute in Westeuropa haben offenbar schnell vergessen, wie stark die Segler aus dem Ostblock in den olympischen Klassen waren und auch heute noch sind. Jochen Schümann z.B. ist ja auch nicht vor 20 Jahren aus heiterem Himmel gefallen und im Soling gelandet.

SA.de: Es ist also nicht so, dass sich der zahlende Eigner zwischen Dich und Matti Paschen setzt, ihr segelt ihn über den Kurs und er stellt sich später neues Silber in den Schrank?
MW: Sergei ist ein engagiert Amateur, der sich das Vergnügen leistet, ein Segelteam auf hohem Niveau am Laufen zu halten. Als erfolgreichem Geschäftsmann  kann er sich natürlich nicht so viel Zeit für ein gemeinsames Training freischaufeln, wie er gerne möchte. Aber er sorgt dafür, dass Transbunker als professionelles Team bestmöglich vorbereitet an den Start geht. Er geht mit großem Ehrgeiz in eine Regatta und erwartet selbstverständlich, dass wir stets unser Bestes geben.

SA.de: Gewinnen ist immer schön, aber wie sieht es an Bord beim Verlieren aus?
MW: Professionell. Sergei segelt aufmerksam, er kann eine Wettfahrt lesen und analysieren, er erkennt, wann und wo ein Fehler gemacht wurde. Aber als Segler weiss er auch um die Zwänge auf dem Wasser, dass sich die Situation ständig ändert und Entscheidungen auch mal in die Hose gehen können.

SA.de: Mir ist aufgefallen, dass sehr viele Teilnehmer an der letzten EM aus dem ehem. Ostblockländern kommen. Was ist der Grund dafür?
MW: Vor einigen Jahren ging es mit dem Drachensegeln in Moskau los. Ein russischer Businessman und Drachensegler zog gemeinsam mit Golfplatz auch einen Yachtclub hoch. In 2006 wurde im dem Pirogovo Yachtclub die russische Drachenflotte gegründet und seitdem brummt die Klasse in Moskau richtig.

SA.de: Ist Segeln in Moskau vergleichbar mit einem deutschen Segelverein?
MW: Nein, die Clubs, die ich dort kenne, sind mehr wie ein amerikanischer Country Club. Der Sport ist ein Teilaspekt des Clublebens, in dem das gesellschaftliche Miteinander einen sehr hohen Stellenwert hat. Und natürlich trifft man sich in dem Club mit seinen Geschäftsfreunden, zeigt, wer man ist und was man sich leisten kann. Jedenfalls ging das Konzept mit dem privaten Segelverein auf und heute gibt es über 200 Drachen im Raum Moskau.

SA.de: Und mit der Masse steigt auch die seglerische Klasse?
MW: Die Russen sind voll dabei und treiben mit ihrem Einsatz das sportliche Niveau in dem Drachen hoch und höher. Die Topteams haben z.B. nicht nur einen Drachen in Moskau, da liegt auch noch einer im Mittelmeer und steht dort für die Regatten in Westeuropa bereit. In Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2011 haben diese Teams bereits einige Drachen nach Melbourne verschifft und trainieren schon regelmäßig in Australien!

SA.de: Geld scheint nicht das Problem zu sein?
MW: Die Topteams verfügen über tiefe Taschen, dass ist schon richtig. Aber die Erfolge werden durch Vorbereitung, Training und Können erarbeitet.

SA.de: Und auf diesem Level kann der engagierte Clubsegler nicht mehr mithalten, oder?
MW: Das ist richtig. Hier bei Euch steht der Drachen auf dem Trailer, mit dem Paule und Peewee die Berliner Meisterschaft gewonnen haben. Die Jungs segeln gut, kein Zweifel! Aber um gegen die Profis in der Klasse bestehen zu können, fehlt ihnen einfach die notwendige Zeit auf dem Wasser. Wer 5,6 Tage in der Woche arbeiten geht, um seine Familie zu ernähren, der kann in dieser Zeit nicht trainieren und optimieren, also fehlt ihm logischerweise diese Zeit beim Kampf in der Spitzengruppe.

Drachensegler unter sich: Markus Wieser und Peewee - Photocopyright: SailingAnarchy.de
Drachensegler unter sich: Markus Wieser und Peewee - Photocopyright: SailingAnarchy.de

SA.de: Wie muß man sich ein professionelles Team vorstellen? Wie läuft das beim Transbunker Team ab?
MW: Wir haben 3 Drachen, die von einem Bootsmann gepflegt und für die Regatten präpariert werden. Die Schiffe stehen rechtzeitig zu der Veranstaltung in dem jeweiligen Club für uns bereit. Die Crews reisen kurz vor der Veranstaltung an und können sich voll aufs Eintrimmen und die Wettfahrten konzentrieren. Nach der Regatta bauen wir die Boote mit ab und machen sie transportklar, Preisverteilung, sofern Transbunker was gewonnen hat und dann reisen wir ab. Matti Paschen und ich sind in weiteren professionellen Segelprogrammen aktiv, u.a. in der RC 44 Klasse, auf CONTAINER, Matti im AC Team All4One. Da wird die Zeit schon mal knapp und da wir beide Familie haben, freut man sich auch mal über freie segelfreie Tage.

SA.de: Welche Regatta segelst Du als nächste mit dem Transbunker Team?
MW: Wir hätten gerne die Kieler Woche als Vorbereitung für den DRAGON GRAND PRIX GERMANY vom 10. bis 14. Juli 2010 vor Boltenhagen genommen. Die Transbunker Group trägt als Hauptsponsor zu dieser hochrangigen Segelsportveranstaltung bei und natürlich wollen wir unseren Erfolg vom letzten Jahr wiederholen, als das Team von Transbunker alle 3 Podiumsplätze erobert hat. Wir freuen uns auf diese Regatta, 65 Drachen aus 25 Nationen zeigt die aktuelle Meldeliste und mit 25 hochkarätige Olympia Medaillengewinner, Welt- und Europameister sind alle Voraussetzungen geben, um die Einstufung als drittes Grade 1 Event der World Dragon Association in diesem Jahr neben EURO und Gold-Cup zu rechtfertigen.

SA.de: Markus, wir wünschen Dir und Deiner Crew viel Erfolg vor Boltenhagen und bedanken uns für das ausführliche Gespräch.
WM
MW: Danke für Deine Einladung in den SC Gothia und bis hoffentlich bald auf dem Wasser.

[Start] [Forum] [Archiv] [Was ist Sailing Anarchy?] [Impressum]
SA-Original