Sep 132015
 

Morgen wird in beim Yacht Club Berlin Grünau die 50. Europameisterschaft der Solingklasse eröffnet, eine gute Gelegenheit diese Info mit einem langversprochen Beitrag zum Thema Segeln und Training zu verbinden.Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Viele Seglerinnen und Segler haben mit dem Einstieg in den Wassersport das Training in einer Jugendgruppe genossen. Wer kennt nicht die Bilder von den engagierten Optikids, die in ihren zu großen Trockenanzügen (“Der wächst da noch rein” bzw. ” … der hing noch im Spind der älteren Geschwister rum”) den Opti-Trolley Richtung Slipbahn zerren. Auf dem Wasser umkreist die Trainerin oder der Trainer mit dem Gummirutscher aufmerksam die Optiflottille und sorgt als Mutterschiff mit heißem Tee, Schokolade und aufmunternden Worten dafür, dass die kleinen Helden nicht den Spaß am Segeln verlieren. Aus Spaß wird Ernst und aus Spiel wird Wettkampf- und Regattatraining: Regelkunde, Taktik auf dem Wasser, Erarbeiten eines Plan für Start und Wettfahrt, Einbeziehen von Wind, Wasser und Gegner, Vorteile erkennen und seine Kräfte und Gedanken auf den siegreichen Abschluss der Wettfahrt focusieren. Erfahrungen sammeln, sich gegen die anderen Kinder in der Regatta durchsetzten, gewinnen, von Opti B nach A schielen und immer an Olympia denken. In der Regel kommt da aber die Pubertät dazwischen, der beste Freund oder Freundin spielt jetzt Fußball, Hockey, Basketball oder kümmert sich viel lieber um ein Pony … (übles Klischee, aber fragt mal den Jugendwart in eurem Club, weshalb aus der Optibande vom letzten Jahr jetzt nur noch 2 Kurze beim Segeln sind).Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Wer durch diese lange und auch harte Schule gegangen ist, es in den Bezirks-, Landes- oder gar Nationalkader geschafft hat, der sieht in der Regel wenig Anlass dafür, als Erwachsener noch für seinen Sport zu trainieren. Außerdem ist die Zeit knapp, Beruf, Studium, Familie, ein Freundeskreis außerhalb des Segelverein will auch gepflegt werden. In der Regel ist man/frau schon froh, wenn man in der Saison 2,3 mal im Monat das Boot bewegt bekommt. Und für eine Klassenregatta auf dem Heimatrevier, das man aus dem FF kennt oder eine Yardstickregatta beim Nachbarverein braucht es bei dem Background doch kein Training, oder?Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Völlig anderer Meinung sind die Eigner der 8 Solings, die in dem Segelverein Reschensee eine hochalpine Heimat gefunden haben. Mit dem gleichen Selbstverständnis wie sich Tennis- oder Golfspieler alleine oder gemeinsam mit anderen Sportkameraden einen Trainer leistet, um ihr Spiel auf Asche oder dem Putting Green zu verbesseren, engagieren die Südtiroler einen Trainer, der dafür sorgen soll, dass sie ihre Boote besser beherrschen, die aktuellen Wettfahrtregeln kennen und nach dem Training bessere Leistungen, sprich spannendere Wettfahrten auf dem Wasser genießen können.Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Ich hatte im Juli das Vergnügen, Roman Koch, Welt- und Europameister im ehemals olympischen Soling, bei seinem Training auf dem Reschensee zu begleiten. Nach einer kurzen Vorstellung der Trainingsschwerpunkte gingen 4 Boote hinaus auf den See, Roman legte eine kurze Startlinie, dazu Luv- und Leetonne,  die Startboje diente später als Zieltonne. Alle Teilnehmer standen durch Sprechfunk mit dem Trainer in Verbindung und los ging es mit dem ersten Start. Für die Skipper hieß das die Startlinie checken, wo kommt der Wind her, was ist die bevorzugte Seite der Bahn, wo sind die Gegner, wie will ich starten, das alles komprimiert in der auf 3 Minuten  verkürzten Startsequenz.

Die kurzen Bahnschenkel sorgten dafür, dass Skipper und Crew im Dauereinsatz waren, Wind beobachten, Wegerechtssituationen erkennen und ausnutzen, sich für die Tonnenmanöver bestmöglich zu positionieren, Segelstellung kontrollieren und den Spi vor der Luvtonne vorbereiten.Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Wenn sich ein Boot einen Vorsprung erarbeitet hatte, wurde es von Roman gnadenlos zurückgepfiffen. Der von ihm verlangte Kringel war keine Strafe, sondern mehr eine Anerkennung dafür, dass auf dem Boot vieles richtig gemacht wurde. Durch den Kringel kamen die anderen Boote wieder heran, die Trainingswettfahrt wurde wieder interessant, es ergaben sich neue Vorfahrtssituationen und für die Teilnehmer die Notwendigkeit, ihren Plan zu überprüfen und anzupassen.Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Bootstrimm an der Kreuz und unter Spinnaker, Kontrolle des Gegners, einen Vorteil nutzen und das Verteidigen der erlangten Position, alles, was der Führende tut, um seinen Platz zu verteidigen, zwingt den Verfolger, ständig die Situation zu prüfen und abzuwägen, wie er sich verbessern kann. Also nicht hinterher segeln, sondern aktiv handeln, um sich aus der Kontrolle des führenden Bootes zu lösen und sich Optionen für den Angriff zu erarbeiten.Soling Clinic am Reschensee - Training mit Profi Roman Koch - Photo © SailingAnarchy.de 2015Training bedeutet Wiederholung und je häufiger man Abläufe, Situationen auf dem Wasser, Bootsmanöver übt, desto besser bleiben die gemachten Erfahrung und Erkenntnis im Gedächtnis und damit wiederhol- und abrufbar. Der Zielpfiff des letzten Bootes war gleichzeitig der Startschuß für die nächte verkürzte Startsequenz.Was wie eine Almenhütte aussieht, ist das Clubhaus des Segelverein Reschensee im Vinschau in Südtirol. - Photo © SailingAnarchy.de 2015Nach 4 knackigen Kurzwettfahrten ging es zurück an den Steg, im Bootshaus stand die Analyse der aufgenommenen Videos an. Roman Koch zeigte den Teilnehmern, wo sie auf der Bahn Fehler gemacht haben und wie aus Routine sich wiederholende Fehler werden. Er zeigte den Skippern, wo sie bei ihren Starts zu zögerlich agierten, wie sie sich eine vorteilhafte Position an der Linie erarbeiten und verteidigen müssen oder wo sie es ihren Gegnern zu einfach machten, sie beim Start abzuklemmen.Roman Herzog, Welt- und Europameister im Soling - Reschensee 2015 - Photo © SailingAnarchy.deAuch wenn Roman dabei schonungslos die Fehler aufgedeckte, brachte er mit viel Charme und Wortgewandheit seine Analysen so rüber, dass sich keiner der Teilnehmer vor den Kopf gestoßen fühlte. Und da Roman aufgrund seiner seglerischen Erfahrung seinen Schüler die richtigen Tipps und  Anregungen für eine Verbesserung ihre Leistung mit auf dem Weg gab, profierten alle Teilnehmer der Soling Clinic von den erkannten und benannten Fehlern. Ich denke, die Seglerinnen und Segler vom SV Reschensee haben mit ihrer Entscheidung für einen professionellen Trainer eine clevere Entscheidung getroffen und in eine hocheffiziente Lösung investiert, mit der sie schnell ihr Bootshandling und Regelfestigkeit verbessert haben. Was spricht also dagegen, dass Ihr eurem Sportwart etwas Druck macht, seinen Etat anzuzapfen und z.B. Roman Koch für ein Training zum Saisonauftakt 2016 zu buchen?