Nov 262016
 

Eigentlich soll der Reporter, oder in diesem Falle die Reporterin, unbeteiligt beobachten und sich nicht selber zum Gegenstand der Geschichte machen. Aber erstens will ich nicht unbedingt den Hans-Joachim-Friedrichs-Preis gewinnen, zweitens kann man die Regeln schon mal außer Acht lassen, wenn man für Sailing Anarchy schreibt, und drittens war ich diejenige, die im „Löffel“ achtern auf der RC44 vom Team Aleph verzweifelt versuchte, ein novemberliches Bad im Mittelmeer zu vermeiden.

Action an Bord von Aleph

Action an Bord von Aleph (Foto © Judy)

Sie sollen ja einfach zu segeln sein, die RC44, aber schwer im Rennen am Limit zu bewegen. Und noch schwerer war es, sich irgendwie auf dem schlechtesten Platz auf diesem Boot an Bord zu halten. Einzig die glipschige Bordwand diente zum Festhalten. Keine Schlaufe, keine Leine, kein Fall. Und das bei extremer Krängung, Spitzengeschwindigkeiten von 29 Knoten und einer blöden Luke in Fußhöhe, die natürlich nicht antirutschbeschichtet ist.

Ein bisschen Seegang war doch: Jede Welle knallte durch die Wirbelsäule direkt ins Hirn

Ein bisschen Seegang war doch: Jede Welle knallte durch die Wirbelsäule direkt ins Hirn (Foto © Judy)

Zur Hälfte der ersten Kreuz hatte ich dann den Bogen raus, verstand das Zusammenspiel der Crew um Eigner und Steuermann Hugues Lepic und Taktiker Hamish Pepper, konnte den Manövern folgen und mich bei den Wenden rechtzeitig auf die andere Seite werfen. Bis dahin hatte ich die Manöver einige Male verpennt und bergauf meine liebe Mühe gehabt, meine Position wieder einzunehmen. Anfängeridiotie!

Was für’s Auge?

Was für’s Auge? (Foto © Judy)

Bemerkenswert ist die Ruhe, mit der an Bord gearbeitet wird. Selbst an der Luvtonne, die gefühlt von allen Booten gleichzeitig auf dem Platz einer Briefmarke umrundet wird, werden die Kommandos bestimmt, aber besonnen gegeben. Kontrahenten hingegen werden schonmal angebrüllt, „No room, no room!“, woraufhin ich nur noch auf den Knall wartete, der zum Glück nicht kam. Profis halt.

Der fliegenden Holländer, oder “Wo sind den alle?“

Der fliegenden Holländer, oder “Wo sind den alle?“ (Foto © Judy)

Auf dem Weg zur Leeboje und einen ausgerenkten Daumen später hatte ich dann endlich Gelegenheit zum Verschnaufen und meiner fotografischen Pflicht nachzukommen. Das Gennakereinholen hatten die Jungs im Griff, was während dieser Regatta nicht immer der Fall war.

Er hatte etwas, um sich dran festzuhalten: Hamish Pepper, Taktiker auf Aleph

Er hatte etwas, um sich dran festzuhalten: Hamish Pepper, Taktiker auf Aleph (Foto © Judy)

Ab in die zweite Kreuz, um die Tonne und zurück zum Ziel. Wir sind Vorletzte geworden. Ich hatte mich zu Anfang zwar unglaublich blöd angestellt, an mir hat’s aber sicher nicht gelegen. Eher noch an kleinen, aber in der Einheitsklasse kostspieligen Fehlentscheidungen der französisch-neuseeländischen Afterguard, insbesondere bei den Tonnenrundungen. Was in diesem Getümmel aber sicherlich entschuldbar ist, immerhin war Charisma hinter uns, auch wenn sie kurz vor der Zieldurchfahrt noch versuchte, mich mit ihrem Bugspriet aufzuspießen.

Ausblick nach vorne: Behaarte Beene und Hintern

Ausblick nach vorne:  Hintern und behaarte Beene (Foto © Judy)

Fazit: Ich kann beipflichten, eine RC44 ist schwer erfolgreich in einem Rennen zu bewegen. Und obwohl sie konzeptionell schon fast zu den Oldtimern gehört, ist sie nach wie vor ein athletisches Boot, das Sportlichkeit mit jeder Karbonfaser ausstrahlt. Meistens ist sie unkomfortabel, manchmal beängstigend, aber immer noch sexy.

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