Apr 062015
 

Es gibt keinen absoluten Tiefpunkt beim America’s Cup, es geht immer noch ein bisschen was: Nach der Auslagerung der Regatta vom Heimgewässer des amerikanischen Verteidigers ins britische Bermuda wurde nun die Bootsklasse geändert: Viele Einheitsteile, 14 Fuß kürzer und damit nur noch drei Fuß länger als die AC45 Einheitsklasse der nahezu bedeutungslosen ACWS. Was erneut für mediale Schlammschlachten sorgt.

Dabei wird offensichtlich, dass der verteidigende Golden Gate Yacht Club (GGYC) nichts mehr zu sagen und alle Macht auf die Veranstaltungsorganisation ACEA übertragen hat. Für den 35sten America’s Cup steht diese unter der Leitung des fünffachen AC-Gewinners Russell Coutts, der während der letzten Austragung Chef den Verteidigerteams Oracle Team USA (OTUSA) war. Der Neuseeländer mag zwar ein begnadeter Segler und Teamchef sein, als Geschäfts- und Marketingmann glänzt er nicht. Den Auftrag seines Brötchengebers und OTUSA Teameigners, Oracle-Milliardär Larry Ellison, den AC auf sichere finanzielle Füße zu stellen, hat er bisher nicht erfüllt.

Da waren sie wenigstens noch groß: AC72 im letzten Rennen des AC34 vor Alcatraz
Da waren sie wenigstens noch groß: AC72 im letzten Rennen des AC34 vor Alcatraz (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich Coutts nicht mit dem Scheitern der World Sailing League abgefunden hat, einer 2007 geplanten Katamaranserie, die nie das Licht der Welt erblickte. Die ACWS hatte schon große Ähnlichkeit mit dem alten Konzept, der neue AC kommt ihm bereits unheimlich nah. Fehlen nur noch mehr Teams.

Also fiel Coutts zur Lösung seiner Probleme „Kostensenkung“ ein, was auch bei allen Herausforderern, echten und eingebildeten, erstmal gut ankam. Bei der Durchführung hingegen ließ er keine Gelegenheit aus, Murphys Gesetz anzuwenden.

Tatkräftige Hilfe bekam er dabei dieses Mal vom Herausforderer vom Dienst (Challenger of Record, CoR) Luna Rossa aus Italien, die nach dem Rückzug des eigentlichen CoRs Hamilton Island Yacht Club darauf bestanden hatten, ein aus allen Herausforderern bestehendes Komitee als CoR einzusetzen. Ein fragwürdiges Manöver angesichts der uralten Stiftungsurkunde Deed of Gift, die die Rahmenregeln des America’s Cups festlegt. Dort ist lediglich von einem Herausforderer die Rede. Viel Interpretationsspielraum lässt diese Formulierung nicht zu, insbesondere, da jedes bisher ergangene Gerichtsurteil zum AC – und davon gibt es einige – sich auf die wortwörtliche Auslegung des Dokuments von 1887 mit den Änderungen aus 1956 und 1985 bezog.

Nur, wo kein Kläger, da kein Richter, und so führte die Angst der Italiener vor Verantwortung dazu, dass in den meisten Fällen jetzt die einfache Mehrheit der Herausforderer einen Beschluss fällt, der mit dem Verteidiger verhandelt werden kann.

Eine Vorgehensweise, die Luna Rossa noch bereuen sollte…

Vergangene Woche nun sollten abermals Kosten gedrückt und weitere Herausforderer angelockt werden. ACEA hatte einige Maßnahmen vorgeschlagen, die vom Verteidiger und dem Komitee beschlossen wurden: Statt foilender 62-Füßer sollten 48“ kurze Boote über’s Wasser fliegen. Damit sind die eigentlichen AC-Boote nur knapp einen Meter länger als die Sportgeräte der ACWS, die von OTUSA und den Herausfordererteams Luna Rossa und Artemis aus Schweden bereits als Foiler umgebaut und erfolgreich getestet wurden. Die 48-Füßer werden sicherlich spektakulär anzusehen sein, wie die Testboote bereits gezeigt haben. Ob sie allerdings die Grandeur ausstrahlen, die man von einem AC-Boot als Unterscheidung zu anderen Klassen erwartet, ist fraglich.

Klein und wild: OTUSAs foilende AC45S in San Francisco
Klein und wild: OTUSAs foilende AC45S in San Francisco (Foto © Balazs Gardi)

Des Weiteren wurden viele Designfreiheiten eingeschränkt: Die Rümpfe, Querträger und Flügel sind faktisch Einheitsteile; freigestellt sind Foils, ihre Steuerung und aerodynamische Applikationen. Bei dieser Menge an Restriktionen wird der traditionelle Kern des ACs in Frage gestellt. Das ursprüngliche „Mein Boot ist besser als Dein Boot“ verkommt zu einfach nur ‘ner weiteren Regatta.

Neben Luna Rossa waren an der Abstimmung auch die anderen Herausforderer beteiligt:

  • Team France unter der Leitung des Um-die-Welt-Spezialisten Franck Cammas, die ihr Nenngeld immer noch nicht zur Gänze entrichtet haben
  • die Briten um den super-erfolgreichen Olympioniken Ben Ainslie (BAR)
  • Artemis mit dem zweifachem Olympiasieger Iain Percy als Skipper und dem Gunvor-Mehrheitseigner Torbjörn Törnqvist als Geldgeber
  • und die tragischen Verlierer des letzten AC, Emirates Team New Zealand (ETNZ).

Das Votum ging 3:2 aus, wobei die „2“ für Luna Rossa und ETNZ steht, die gegen die Klassenänderung gestimmt hatten. Wen wundert’s, hatte Luna Rossa doch bereits vor fast einem Jahr begonnen, die größeren Boote zu entwickeln und sah diesen Vorsprung auf einen Schlag nivelliert – nur gut 18 Monate vor dem Match. Teameigner Patrizio Bertelli hatte dann auch die Nase voll vom „Rin inne Kartoffeln, raus aus de Kartoffeln“ und zog die Nennung des Teams zurück. Selber schuld, denn als alleiniger CoR hätte er das Sagen von Herausfordererseite gehabt. Nun musste er sich dem Abstimmungsergebnis beugen.

Luna Rossa werde aber seinen verbliebenen Verpflichtungen nachkommen, hieß es in der Presseerklärung zum Rückzug. Damit kann die ACWS-Regatta Anfang Juni in Cagliari gemeint sein, deren Austragung jetzt auf wackligen Füßen steht.

Schnauze voll, denn so groß werden die Boote nicht: Luna Rossas Chef Patrizio Bertelli und sein Skipper Max Sirena bei der ACWS in Neapel 2012
Schnauze voll, denn so groß werden die Boote nicht: Luna Rossas Chef Patrizio Bertelli und sein Skipper Max Sirena bei der ACWS in Neapel 2012 (Foto © Carlo Borlenghi)

Der Fall ETNZ stellt sich etwas anders dar

Generell hatte die Kiwi-Mannschaft nichts gegen kostengünstigere Boote einzuwenden, auch, wenn die Regeländerung etwas spät und irgendwie willkürlich daherkam. Es ging um etwas ganz anderes: Da im Protokoll eine amerikanisierte Form des AC vorgeschrieben wird, mit Qualifyern und Play-offs, hatte es sich angeboten, die verschiedenen Veranstaltungsteile auch – als Roadshow sozusagen – an verschiedene Austragungsorte zu verkaufen. Auckland hatte sich interessiert gezeigt und war in seinen Verhandlungen mit ACEA wohl auch schon weit fortgeschritten, so dass eine Ausrichtungszusage nur noch Formsache war. Im Gegenzug hätte ETNZ auf weitere Milliönchen aus dem neuseeländischen Tourismus-Werbebudget hoffen können.

Leider wären aber die Kosten für die anderen Teams durch einen Besuch auf der anderen Seite der Erde gestiegen. Der Enthusiasmus über die Aussicht, Boot, Team, Ausrüstung, Workshops und Familien für drei Monate fernab der Heimbasis und lokalen Lieferanten anzusiedeln, hielt sich also in Grenzen. Wie dienlich war es da, dass die Abstimmung über die Bootsklasse auch die Frage „Nach Auckland oder nicht?“ beinhaltete. Das Ergebnis steht oben.

ETNZ beschwerte sich in den Medien, dass eine Entscheidung über Austragungsorte ACEA-Verhandlungs-, aber nicht Teilnehmer-Abstimmungssache sei, rief das AC-Schiedsgericht an (Entscheidung irgendwann einmal) und bekam von den anderen, verbliebenen Teams postwendend eine der peinlichsten Presseerklärungen zugestellt, die der AC je hervorgebracht hat. Das weinerlich-beleidigte Pamphlet ließ an Substanz vermissen, enthielt dafür aber Schelte für die Kritik an den Regeländerungen.

Noch geht das Licht nicht aus: Der America’s Cup ganz stimmungsvoll
Noch geht das Licht nicht aus: Der America’s Cup ganz stimmungsvoll (Foto © ACEA / Gilles Martin-Raget)

Geradezu amüsant ist, was sich seitdem auf den Facebook-Profilen von Russell Coutts und dem America’s Cup abspielt. Die überwältigende Mehrheit der Poster ist bitter enttäuscht von den Änderungen. „Das ist nicht der America’s Cup“ ist – zusammengefasst und freundlich formuliert – die Kernaussage der meisten Beiträge.

Zwei Challenger of Record weggerannt, Bermuda, Einheitsdesignklasse und Miniboote – auch das wird nicht das Ende des America’s Cup sein, nur eine vorübergehende Schwäche. Bis jemand dem von Larry Ellisons Team entmachteten GGYC die olle Kanne wegnimmt und seine eigene Version der Veranstaltung bastelt. Ob die dann besser wird?

Was das noch mit Segeln zu tun hat? Wenig. Vielmehr ist der AC ein Gesamtkunstwerk, bestehend aus Juristerei, medialen Schlammschlachten, wechselnden Allianzen, Betrug, Täuschung, technischen Erfindungen und der gelegentlichen Regatta zwischendurch. Wer ihn so betrachten kann, fühlt sich allzeit bestens unterhalten. Versucht’s mal.

  2 Responses to “Gesamtkunstwerk oder einfach nur ‘ne weitere Regatta?”

  1. Sehr schöne Zusammenfassung der letzten Woche: Schimmer geht immer und natürlich werde ich mir auch den 35. AC im Livestream anschauen! Aber der Unterschied zu einer Regatta der Extreme Sailing Series werde ich nur darin erkennen, dass die Cats auf Foils über die Lagune in Bermuda heizen und ein solid wing auf der OD Plattform haben. Und natürlich daran, dass nur 2 Boote auf dem Kurs sind und nicht 10,12 oder mehr Kats zugleich auf die Tonnen zuhalten. Den Kommentar von Bruno "Mr. Louis Vuitton" zu Bermuda AC hinsichtlich Sonnencreme und Pommes Geruch fand ich arg sarkastisch, mehr als ein Hobie Cat Event wird jeder AC sein, egal wie sehr RC darin rumrühren wird.

    ABER nicht nur für mich lebt der AC davon, dass es auch um die technische Entwicklung von Rennyachten geht und nicht darum, dass OneDesign Yachten die Basis für den Sieg der besten Segler sein sollen. Es geht beim AC um Geschwindigkeit, Geld, Ruhm und Dickköpfigkeit, Larry Ellison paßt insofern hervorragend in die Geschichte des Cups hinein, der AC ist nun mal ein Spielplatz für Irre mit ganz tiefen Taschen. Wenn sich der Syndikateigner auch noch die besten Segler in ihr Team holen, um so besser für die Segler. Aber ich kann das hohe Lied der Einheitsklasse aus dem Mund der Segler im Zusammenhang mit dem Americas Cup nicht mehr hören. Wenn die besten Segler der Welt auf den schnellsten Yachten für ihr privates Ego segeln wollen und sie der Meiung sind, dass dafür ein OD Grundvoraussetzung ist, dann sollen sie einfach mal zur Abwechslung die Boote auf eigene Rechnung bauen lassen und die Teams vom Masseur bis zum Konstrukteur aus der eigenen Tasche bezahlen.

  2. In diesem Spiel gibt es keine Guten, nur Abstufungen von böse und Egoismus auf allen Seiten. Das war sicherlich schon immer so, allerdings oft durch Gentlemen-Manieren übertüncht. Und diese Zeiten sind vorbei, im gesellschaftlichen Leben und im Sport.

    Bruno Troublé hat von Sponsorenseite recht, die Formulierung war aber unter aller Würde. Ironisch ist, dass Russell für seine RC44 ein sehr fähiges Management hat, das exakt das für die Klasse richtige Klientel mit den richtigen Booten anspricht: Reiche Russen, die gerne selber fahren, in exklusivem Umfeld. Das hätte er sich zum Vorbild nehmen sollen und nicht die Pleiteserie WSL.

    Mal sehen, was noch so alles kommt. Im Moment plane ich jedenfalls keine Reise mehr nach Bermuda. Um mir fliegende Spielzeugboote anzusehen kann ich billiger zu den GC32 fahren – wenn die ihrem Veranstaltungskalender mal treu bleiben, oder zu der von mir so ungliebten ACWS.